Samstag, 8. März 2014
Kambodscha
Schlaflos in Kambodscha. Der Sonnenaufgang scheint noch weit entfernt zu sein. Siĕmréab ist bislang wundertoll. Die Kambodschaner wirken freundlich, irgendwie sanfter und ruhiger. Wobei dieser Ersteindruck auch täuschen mag. Natürlich ist es deutlich ländlicher als Bangkok und wirkt allein dadurch mehr wie Urlaub.

Der Weg von Bangkok nach Siĕmréab war krass. Vor allem die immer deutlich sichtbar werdende Armut. Von der Metropole zur Müllhalde. Ein Bewusstsein für Natur und Umwelt ist hier nicht existent. Die Leute kippen ihren Müll einfach vor die Haustür. An der Höhe der Müllberge lässt sich erkennen, wie lange sie dort schon leben. So ist teilweise das eigene Heim von einem fast geschlossenen Müllkranz umgeben. Der langsame Übergang zu Siĕmréab war ebenfalls eindrucksvoll. Es begann mit einem kleinen Bach, der parallel zur Straße verlief. Die gerade noch verdorrte Einöde wurde grüner und grüner. Das Wasser des Lebens. Faszinierend, was so ein bisschen Flüssigkeit bewirken kann. Keine hundert Enten mehr, die sich in eine 3 qm kleine Pfütze quetschen. Keine im Schlamm spielenden Kinder, keine vertrockneten Palmen. Keine Fische, die in einem versiegenden Wasserloch um ihr Überleben ringen. Der Bach wurde breiter, die Landschaft sumpfiger. Saftiger. Dann kam der erste Wasserbüffel*, der dem lebensspendenden Elixier entstieg. Gemächlich, irgendwie majestätisch und dörflich zugleich. Wasser tropfte von seinem Fell herab. Ein paar hundert Meter weiter endete der Bach in einer Art Wiederaufbereitungsanlage. Das Nass endete, doch das Grün blieb. Bis Siĕmréab.
Ich bin gespannt auf Angkor Wat. Schon die alten Khmer wussten ja, ähnlich wie die Römer, wie wertvoll, wie kostbar eine gute Wasserversorgung sein kann. Die Tempelstadt war in ihrer Blütezeit ähnlich groß wie das alte Rom. In ihr lebten 800.000 bis 1.000.000 Menschen. Vielleicht war sie sogar mal die größte Stadt der Welt. Aber wer weiß schon Sachen, die nicht einmal das Internet weiß?
Benjamin Prüfer, der seit Jahren mit seiner kambodschanischen Frau (und drei Kindern) in Pnom Penh lebt, schreibt, wie qualvoll es für die Bevölkerung sein muss, dermaßen verarmt im Schatten dieser alten Hochkultur zu leben. Immer wieder vor Augen geführt zu bekommen, was einst war. Und in den Spiegel zu schauen und zu wissen, dass das eigene Volk diesen Status so schnell nicht wieder erlangen wird. Zumindest nicht zu Lebzeiten. Dazu ist die Not zu groß. Zwischen der zweiten und dritten kambodschanischen Grenzbehörde wurde ich das erste Mal angebettelt, von einem kleinen Mädchen. Da die Wahrscheinlichkeit, dass es das Geld behalten würde, nicht besonders hoch war, habe ich nichts gegeben. Wir überlegen aber, gegen Ende unserer Reise einer Organisation eine Spende zukommen zu lassen, bei der wir sicher sein können, dass das Geld auch bei denen ankommt, die es benötigen.
Die Sonne geht auf. Coole Sache. Um 8:30 Uhr sammelt uns unser Tuk-Tuk-Fahrer Chai ein, um nach Angkor Wat zu starten. Apropos, die Angkor What!? Bar, die wir gestern entdeckt haben, sieht sehr, sehr cool aus. Die Wände sind voll mit Graffiti. Ein weißer Hai mit weit aufgerissenem Maul. Eine Jim Beam und eine Bacardi Flasche, die sich - als Mann und Frau überzeichnet -verschmitzt anflirten. Und überall Kritzeleien, Unterschriften, Sprüche, lustiger Nonsens von Gästen. Die gesamte Bar ist ein einziges Kunstwerk.



Frühstück. Mal schauen, wie der Banana Pancake im Victory Guest House schmeckt. Eingerichtet ist das Hostel sehr, sehr schön. Ich sitze unten in der Lobby. Sie besteht aus einer Art Vorbau, der auf sechs Säulen ruht. Eine längliche Seite ist von einer weißen Mauer umgeben, die andere von Palmen. Die Mauer scheint relativ lose in der Gegend herum zu stehen, schließt sich aber direkt an das Haus an. Das vordere Drittel ist wie eine Lounge als Cocktailbar eingerichtet. $2.50 kostet einer. Durch die offenen Eingänge dringt Tageslicht ein, jedoch nicht viel. Da die Lampen ausgeschaltet bleiben, herrscht ein in den Morgenstunden sehr angenehmes Halbdunkel, wie unmittelbar vor einem Sonnenaufgang. Die meisten anderen Gäste schlafen noch, nur ein paar ratternde Tuk-Tuk-Motoren und auf Flip-Flops durch die Gegend schlurfende Kambodschaner durchdringen die morgendliche Stille. Und just in diesem Augenblick schmeißt die Dame in der Küche den Mixer an! :D
Langsam nehmen die Geräusche zu, Siĕmréab erwacht zu Leben. Die einzige Ausnahme, das Paar aus Osteuropa, ich tippe aus irgendeinem Grund auf die Ukraine, raucht noch gechillt an der Cocktailbar. Der mittelalte, nicht mehr ganz so schlanke Kambodschaner im Liegestuhl präsentiert seine blanke Plauze und gähnt. Ich bezahle das Frühstück ($1.50 f. d. Banana Pancake) und stehe auf. Das heißt, ich versuche, das Frühstück zu bezahlen und sorge für Verwirrung bei der lieben Bedienung, die nicht sehr gut englisch spricht. Sie holt einen Mann zu Hilfe, der mir erklärt, dass das Frühstück im Preis included ist. Stimmt ja. Nun aber auf nach Angkor Wat, gleich kommt unser Tuk-Tuk.

*Den "Wasserbüffel hat Wikipedia für mich als Kouprey, eine Art Wildrind identifiziert

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