Donnerstag, 27. Oktober 2011
Eine Überdosis Glück im Augenblick
Mikroboy in Düsseldorf, Stahlwerk, 26.10.2011

Gefühlt belegen stets die besten, die wertvollsten Musiker bei kommerziellen Veranstaltungen und vergleichenden Rankings die letzten Plätze. Wenn es für diesen gefühlten Fakt („Fühl-Fakt“, d. Gedankensturm-Wortschöpfungs-Lexikon) eines weiteren, aktuellen Beweises bedurft hätte, so könnten Indie-Pop-Liebhaber der Gegenwart von der Band Mikroboy erzählen. Diese Herrschaften um Sänger Michael Ludes vereinen eingängige und doch nachdenkliche Hymnen mit einer einmaligen Portion melancholischer Hoffnung, die durch einen seichten Schuss Elektronik bis auf die Spitze getrieben wird.
Wer all diese Eigenschaften zusammen zählt und für ein, zwei Minuten der aktuellen Single „Es hat sich einiges getan“ http://www.youtube.com/watch?v=u2AMrAJYTOs lauscht und dann noch von Teilnahmen am Bundesvision Song Contest hört, wird diese Gleichung wahrscheinlich mit „Das nächste große Ding“ lösen. Zum Glück der Jetzt-schon-Fans und zum Pech der Geldbörsen der Mikrojungs funktioniert der Musikmarkt dann doch nicht so einfach und daher belegte die Band vor ziemlich genau einem Jahr für das Saarland den vorletzten Platz. Das neue, das zweite Album „Eine Frage der Zeit“ stieg auf Platz 96 in die Charts ein.
All dies führt dazu, dass sich an einem Mittwochabend Ende Oktober ca. 50 Leute in das Düsseldorfer Stahlwerk verirren und ein wahrlich wundervolles Konzert erleben. Ein junger Mann aus Hamburg, der beteuert, sonst nicht alleine auf der Bühne zu stehen, eröffnet singer-songwriter-mäßig sehr stimmungsvoll den Abend. Das Publikum, eine Mischung aus kleinen bis mittelgroßen Mädchen und alternativen Konzertgängern ist locker warm gespielt. Dann kommen die extrem gut gelaunten Mikroboy an die Instrumente und verströmen vom ersten Augenblick an eine dynamische Mischung aus Euphorie und Melancholie, dass es selbst noch nicht warm gespielten Zuhörern auf der Stelle warm ums Herz wird. „Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten“ - den Titel ihrer allerersten Single scheint die fröhliche Kapelle sich als Konzert-, wenn nicht als Lebens-Motto angeeignet zu haben. In einer maximal zu 1/3 Drittel gefüllten Halle kann natürlich keine Sauna-Atmosphäre aufkommen, dennoch wippt und tanzt das vom Glück bestäubte Publikum eifrig im Takt mit dem Zauber des Blütenstaubs, der langsam aber stetig von der Bühne rieselt. Grund genug für Frontmann Michi Ludes, die Textsicherheit des lauschenden Volkes zu testen. Und so erklingt bald darauf der wunderbare Refrain von „Nichts ist umsonst“ aus nicht wenigen Kehlen:

„Denn nur wer weiß, wohin er will und was er kann
kann auch schaffen, was die Welt von ihm verlangt“

Spätestens ab diesem gelungenen Interaktionstest ist der Funke endgültig übergesprungen. Mikroboy spielen 15 Songs ohne Pause, aber mit viel Rhythmus und Herz durch den Abend. Trinken kurz ein Bierchen während die Jetzt-Fans begeistert nach einer Zugabe verlangen. Diese fällt ganze 6 Kulturgüter stark aus und gipfelt in der Lebensreflektionshymne „Vom Leben und Verstehen“. Besser als mit den hierin enthalten Worten kann man sowieso überhaupt gar nichts beschreiben, darum hält der Verfasser dieser Zeilen jetzt einfach mal die Fresse und verneigt sich in stiller Ehrfurcht vor dem, der folgendes zu Papier brachte:

"Eine Mischung aus Erinnerung und Traum,
doch wenn ich ehrlich bin erinnere ich mich kaum.
Was zu dem Schluss führt, dass die Phantasie gewinnt,
eine Überdosis Glück im Augenblick
und wenn es nötig ist bleibt nichts davon zurück"

Danke, Mikroboy. Düsseldorf mag euch. Kommt wieder, bitte.

Setlist:

1. Immer auf der Suche
2. Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten
3. Ein einzelnes Atom
4. Es hat sich einiges getan
5. Du. Nicht wir.
6. Nichts ist umsonst
7. Solang' der Mut den Zweifel schlägt
8. Herzen aus Holz
9. Alle Menschen verlieren Sachen
10. Du oder ich oder wir alle
11. Apollo
12. Rückschritt gleich Fortschritt
13. Angekommen
14. Pre Oder Post
15. Atmen und Aushalten
16. Bis zum Ende
17. Wann bleibst du endlich
18. Nach dem Höhepunkt links ab
19. Irgendwie unangenehm
20. Lass mich irgendwas sein
21. Vom Leben und Verstehen