Sonntag, 5. Juni 2011
Tanzen, Hüpfen, Nachdenken – Rise Against im Palladium
Eine seit Wochen ausverkaufte Tournee in deutschen Landen und ein Album auf Platz 1 der hiesigen Charts, damit können sich die Jungs von Rise Against wohl das Prädikat Punkrock-Band der Stunde an die mit Idealen und inbrünstiger Spielfreude gefüllte, schwellende Brust heften. Auch in das picke-packe-volle Palladium zu Köln war eine hungrige, bunt gemischte Meute getigert, um sich von den viel gerühmten Live-Qualitäten der Herren aus Chicago zu überzeugen.

Das Warmspielen des Publikums durften Coliseum übernehmen. Die Meute dankte es mit steigender Körpertemperatur und überdurchschnittlichem Vorband-Applaus. Den gelungenen Auftritt rundete ein gewisser Zach Blair als Gast-Gitarrist ab. In der anschließenden Umbaupause mussten die hinteren 2/3 der Halle die etwas enttäuschende und bisweilen schmerzliche Feststellung machen, dass die Veranstalter sie offensichtlich nicht mit dem vorderem Drittel spielen lassen wollten, da ein nicht umgehbarer Wellenbrecher das Palladium durchzog. Vielleicht erinnerte man sich daran, dass beim letzten Gastspiel in der Gegend der einzige Brecher der Düsseldorfer Philipshalle von der wogenden Masse so arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass er eine halbstündige Pause verursachte.
Egal. Bei den ersten Klängen von „Chamber The Cartridge“ und den obligatorischen „Rise!“-Rufen war alles vergessen. Schwer zu sagen, warum manche Bands ihr Set einfach nur herunter spielen und manche – wie Rise Against – diese unglaubliche Energie entwickeln und damit das Publikum wieder und wieder durch die Hallen dieser Hemisphäre pusten. Das mehr als rockbare, live-taugliche Liedgut mag eine Erklärung liefern, die von der Band verkörperte Mischung aus Professionalität, authentischer Spielfreude und der Überzeugung, das Richtige zu tun, ebenfalls.
Aufgetischt wird das Ganze in einer ausgewogenen Setlist, in der sich die beiden Single-Auskopplungen „Help Is On The Way“ und „Architects“ als Vertreter der aktuellen Kunst neben den einmal mehr zündenden Klassikern harmonisch einfügen. So gibt es spätestens bei „Prayer Of The Refugee“ kein Halten mehr – wen es jetzt nicht in einen der vielen Circle Pits reißt, der wird diesen wohl auch bei künftigen Konzerten aus dem Wege gehen. Aber auch politisches Engagement darf bei Rise Against nicht fehlen. So spielt eine im Hurrikane Katrina gefangene Familie die Hauptrolle in ihrem jüngsten Video zu „Help Is On The Way“. Und bei Konzerten der überzeugten Vegetarier ist nicht nur Platz für (teures) Merchandise sondern auch für Peta2. Der lautstarke Applaus zu der Anteil nehmenden Ansage zur Situation in Japan lässt ahnen, dass das Publikum der Band auch auf diesen Wegen folgt – oder es zumindest ab und an in Erwägung zieht.
Die Zugabe beginnt mit der geballten Akustik-Emotionalität aus „Swing Life Away“ und „Hero Of War“, die andächtigen Balladen, die es dem geneigtem Besucher gestatten, die Begleitung des Herzens in den Arm zu nehmen, um es mit den Worten des Schöpfers und Kapellmeisters, Tim McIlrath, zu sagen. Wer zum Schluss noch in der Lage ist, gegen andere Menschen zu springen, der vollführt dies bezeichnenderweise bei „Give It All“ und final bei „Ready To Fall“. Die schwitzende Band bedankt sich glücklich bei der schwitzenden Meute, die ihr ausverkaufte Hallen und Spitzenpositionen in kommerziellen Ranglisten („Our first number one!“) beschert. Die schwitzende Meute bedankt sich für eine wundervolle Darbietung wundervoller Musik, einer Gelegenheit zum Tanzen, Hüpfen und sogar zum Nachdenken. Da bleibt beiden Parteien wohl nur folgender Gedanke im Kopf hängen: „Und wann sehen wir uns wieder?“