Dienstag, 25. Dezember 2018
Weihnachten also


Weihnachten also. Seit ich in diversen Bildungseinrichtungen mehr oder weniger erfolgreich das kritische Denken erlernt habe, stehe ich diesem Fest ja etwas ambivalent gegenüber. Es ist die Zeit des Konsums. Auf Teufel komm raus wird eingekauft, verpackt, verschickt, verschenkt. Vielleicht mit einem Lächeln im Gesicht. Vielleicht nicht. Noch drei rote Schleifen drum und dann ab die Post. Gewissen beruhigt. Weihnachtsbäume aus Plastik und blinkende Lichterketten dominieren die Einkaufspassagen. Alle geraten in Hektik. Weihnachtsfeier im Betrieb, Weihnachtsfeier im Verein, Geschenke kaufen, HAST DU SCHON ALLE? Ich MUSS NOCH für, HAST du NOCH EINE IDEE für? WAS KÖNNTE man denn für KAUFEN? Da vorne, ein SONDERANGEBOT, SCHNELL! 87 KUNDEN betrachten sich JETZT GERADE DIESES PRODUKT! Stress.

Jetzt erstmal ein Glühwein. Oder fünf, mit Freunden. Dem Körper und der Seele wieder Wärme zuführen in dieser kalten Zeit. Gemütliche Runden voller Geselligkeit, toll. Gedanken im Kopf wie nur zum Ende des Jahres. SCHON WIEDER ein Jahr RUM? Nachdenklichkeit. Gute Gespräche mit Glühwein im Kopf. Weihnachten, ENDLICH MAL ZEIT für die Liebsten!? Nun ja, ja.

Besinnlichkeit. Die Kerzen des Adventskranzes tauchen orangegelbrotflackernd das Wohnzimmer in wohlig-gemütliche Farben. Die Oma wippt langsam im Schaukelstuhl und freut sich, dass alle wieder zusammen(!)gekommen sind. In der Ecke steht ein dunkelgrüner Tannenbaum, der dort so nicht leben kann, aber trotzdem irgendwie dahin gehört. Bunt ist er geschmückt, mit einem Stern auf der Spitze, traurig und schön zugleich. Darunter liegen Geschenke. Geschenke! Für miiiich? Kindliche Sehnsucht flackert auf.

Irgendwer will noch in die Kirche. Ach ja, da war ja was. Kommst du miiit? Die Kirche wirkt feierlich, prachtvoll, voll mit Menschen gefüllt, das ist nicht immer so. Große, kalte Marmorwände, kunstvoll verzierte Fenster. Alles wirkt alt, steif, traditionell, konservativ, von gestern. Eine fremde Welt mit fremden Weltbildern. Was mache ich hier? Freundin hat mich überredet, natürlich. Ich denke daran, dass Weihnachten ursprünglich mal Wintersonnenwende hieß und die Christen den Termin übernommen haben, um die Heiden besser bekehren zu können. Hat geklappt. So genau weiß man das aber nicht. Geschichtsschreibung. The winner takes it all. Freundin guckt mich schon wieder so kritisch an. Kann sehr wahrscheinlich Gedanken lesen. Zeit mit den Liebsten heißt auch: Zeit der Kompromisse. ANDEREN EINE FREUDE MACHEN. Zurück im warmen Wohnzimmer. Wann machen wir denn jetzt DIE BESCHERUNG? VORHER oder NACHHER? ERST ESSEN? Mama fragt: Wer hat denn schon HUNGER? Erst essen.

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Dienstag, 19. September 2017
Semantische Deeskalation muss weg.
So, und jetzt reden wir mal über diese Wahl. Wie sich nach der Vollkatastrophe von 2009-2013 wieder eine Mehrheit für Schwarz-Gelb anbahnen kann, ist mir unbegreiflich. Allein für die Entscheidung, den Atomausstieg wieder rückgängig zu machen, um dann nach Fukushima erneut zurückzurudern, sollte eine derartige Koalition die nächsten 20 Jahre keine Mehrheit mehr finden. Hat mal jemand ausgerechnet, wie viele Milliarden das den Steuerzahler gekostet hat? Aber nein, die FDP hängt ein paar fancy Plakate auf und ist wieder da. Und die Union begnügt sich weiterhin damit, den Bürgern die Erfolge der SPD semantisch deeskalierend zu verkaufen.
Dies mag kurzfristig zu Wahlerfolgen führen, langfristig gefährdet es dennoch, da muss man nur mal Josef Klein lesen, die Stabilität unserer Demokratie.
Wo gesellschaftliche Probleme nicht mehr diskutiert, sondern wegmoderiert werden, bildet sich ein Nährboden für Populismus und Extremismus. Denn nichts ist gefährlicher als eine zunehmende Anzahl von Menschen, die sich bedrängt, bedroht, abgehängt fühlen, nicht mehr repräsentiert und ernst genommen. Man muss mit den Leuten reden. Und ihnen die Probleme erläutern. Da stehen auch die Medien in der Pflicht. Aber dort wird leider nur stumpf und teilweise tendenziös auf die AfD eingeschlagen, statt sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Das schürt dort weiter den bereits vorhandenen Hass und nützt einzig und allein der AfD. Es ist echt zum Kotzen.
Bedauerlich ist auch, dass kaum über die gute politische Arbeit geredet wird, die, wie ich aus persönlicher Erfahrung weiß, viele engagierte und kompetente Leute Tag für Tag leisten. Und nein, das gilt nicht nur für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Die Auseinandersetzung mit politischen Themen muss wieder in den Fokus und in den Alltag der Menschen rücken und dafür, genau dafür, muss Merkel weg.

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Samstag, 21. September 2013
BTW: Auf zum Demokratie-Tanz!
So, morgen ist Bundestagswahl.

1: Warum ich wählen gehe?

Weil meine Stimme zählt.
Weil sie mit ihrem Ruf aus der Wahlurne heraus eine Bedeutung erlangt, die ihren Wert als Single bei weitem übersteigt. Unsere Demokratie benötigt meine Stimme wie die Luft zum atmen.
Diese Stimme an dieser Stelle abgeben zu dürfen ist ein Privileg. Manche Menschen aus, sagen wir mal, anders gearteten politischen Systemen sind bereit, für dieses Privileg mit ihrem Leben zu bezahlen.
Mit meiner Stimme wähle ich die Demokratie. Weil sie zwar manchmal rumzickt und nervt, aber trotz allem noch immer die schärfste Schnitte auf der Party ist.

2. Warum ich denke, dass es einen Unterschied macht, welche Partei ich wähle?

Weil ich die Wahlprogramme gelesen habe.
Und da habe ich bei einer Partei ein paar Sachen entdeckt, die ich ziemlich cool finde. Nach einer erfolgreichen Wahl wird sie sich an diesen Inhalten orientieren und messen lassen. Leider werden bei anschließenden Koalitionsverhandlungen Themen, die mir viel bedeuten, auf der Strecke bleiben. Dafür erscheinen dann Punkte auf der Agenda, die meinem Nachbarn, meiner Oma, meinem Pizzabäcker wichtig sind. Das zu akzeptieren, gehört ebenfalls zu einer funktionierenden, einer lebendigen Demokratie.
Einige tanzen auf dieser Party aus Überzeugung mit ihrer Auserwählten, andere wollen erstmal knutschen und fummeln und dann schauen, was draus wird. So, nun muss ich aber los, die Dame meines Herzens hat sich hübsch gemacht und wartet darauf, von mir ausgeführt zu werden. Also, liebe Menschen, Bürgerinnen, Bürger: Tanzt den Demokratie-Tanz!

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Donnerstag, 20. September 2012
Novemberregen
Warm – kalt – warm – kalt, nass. Pendeln. Bus raus, Bahn rein. 4 Minuten warten. Nur 4 Minuten. Nicht sinnvoll zu füllen, die Zeit. Warten. Beobachten. Denken, träumen. Kälte, wendige, die durch nasse Glieder zieht. Warten. Beobachten. Ein noch mit Blättern begabter Baum ächzt im Wind.
Menschen. Laut, leise. Normal. Wanne-Eickel Hauptbahnhof. Ruhrpott-grau folgt Ruhrpott-grün. Seminar passé, again. Lauf Hase, lauf. Such' einen Unterbau. Raus ins Freie, ungemütliche, Nass-Kalte. Weg, weg, weg, weg. Auf, auf, auf, auf.
Voll, voll. Keine Ruhe. GE Hbf, na toll. Hoffentlich bald in Essen. Schrei es heraus jetzt. Später Wut, Unmut, nah an Wallenstein. Wo bleibt der Frühling? So fern scheint er, so fern. Doch wird er kommen, blühen, gedeihen, Bessere tage, weit weg.
Allein die Temperatur, sie hülfe. Die Stimmung erst recht. So sei es. Kein Licht ohne Dunkel, kein Leben ohne Sterben. Sterben liegt nicht in der Luft, Vegetieren viel mehr. Vegetieren in 3D. Fortschritt machts möglich. Platschplatsch draußen, Ohrenghettoblastermenschen drinnen. Viel Freude bringt das Novemberpendeln.

Warm – kalt – warm – kalt, grau. Zu viel schlafen, zu viel vegetieren, zu wenig echtes Leben. Wo ist der Antrieb? Wo ist der Antrieb in diesen Tagen? Raus aus der Bahn ...
Rein. Sitzplatz im RE1, olé. Langsam ernährt sich das Eichhörnchen. Aber es lebt. Warum gibt es eigentlich keinen Winterschlaf für Menschen? Hamstern im Herbst, dann Speckschicht anfressen und monatelang nur im Bett liegen und schlafen. Was man dann wohl so träumt? Ganze zusammenhängende Geschichten, Bücher gar?
Taschendiebe unterwegs, aha. Müssen auch hamstern, um über den Winter zu kommen. Für eine Playsi unterm Baum. Bahngespräche nerven. 7 Minuten Verspätung, das wars mit der U-Bahn. Bahngespräche nerven. Dunkel draußen, nun. Auch nicht besser.

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Freitag, 17. Februar 2012
Wer hat den Wulff geschlachtet? Und warum?
Abgesehen von den wulffschen Unzulänglichkeiten finde ich es bemerkenswert, mit welcher Aggressivität die deutsche Medienlandschaft den Bundespräsidenten zur Schlachtbank getrieben hat. Darüber redet niemand. Warum eigentlich?

Die deutsche Journaille nahm den Anruf bei der Bild-Zeitung offenbar persönlich. Und diese arme, arme Bild-Zeitung, die ja in der Angelegenheit keinerlei eigene Interessen verfolgte, musste im Sinne der Pressefreiheit dringend beschützt werden. Vor diesem mächtigen, mächtigen Wulff. War er nicht eher das protegierte Ziehkind des größten und mächtigsten Verlags des Kontinents? So bemerkte es wenigstens die Süddeutsche Zeitung am 3. Januar: http://www.sueddeutsche.de/medien/wulff-und-die-springer-presse-erst-gehaetschelt-dann-fallengelassen-1.1250046

So ungeschickt Wulff agierte, so gereizt (re-)agierte die Presse. Hauptsache drauf. Immer auf Seite 1. Scheiß auf die Menschen in Syrien. Denn eines ist auch klar: Begibt sich das Gros der publizierenden Zunft auf einen Kreuzzug für die angeblich attackierten eigenen Freiheiten, bleiben notwendigerweise andere Themen auf der Strecke.

Natürlich benötigt eine funktionierende Demokratie eine funktionierende Presse- und Meinungsfreiheit. Jedoch setzt dies ein verantwortungsvolles Handeln der Journalisten voraus. Auch sie müssen den ihnen gewährten Freiheiten gerecht werden. In einer sich immer schneller drehenden Medienmaschinerie gilt häufig nur noch der erste Teil des Ehrenkodexes „Get it first, but first get it right!“, da hilft auch der Gegendarstellungsanspruch in § 11 des Landespressegesetzes kaum noch aus. Eine Nachricht reicht häufig, um ganze Existenzen zu vernichten.
Medien sind mächtig. Und sie setzen ihre Macht ganz gezielt ein, um politischen Einfluss auszuüben. Im Fall Wulff traf dies nun nicht unbedingt den Falschen. Das macht es dennoch nicht richtig.

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Dienstag, 17. August 2010
Zeit.


Was ist das wichtigste an der heutigen Zeit?
Richtig, die Zeit.
Zeit zu leben, Zeit zu lieben, Zeit zu sterben, Zeit zu zeugen
Zeit zu arbeiten, lernen, studieren, den Müll raus zu bringen, Wäsche zu waschen
Zeit, Zeit, Zeit.
Alles kostet Zeit.
Niemand hat mehr Zeit.
Liegt wohl an der heutigen Zeit. Die zivilisierte Zeit.
Verdammt schnell, diese heutige, zivilisierte Zeit.
So verdammt schnell, dass alle so furchtbar schnell sein müssen.
Du! Du! Du! Du musst schnell sein!
Und produktiv. Wer nicht produktiv ist, kann noch so schnell sein … er verliert.
Das ist doch das wichtigste am großen Ganzen. Produktivität.
Es muss etwas geleistet werden. Schaffen, schaffen, Häusle bauen.
Egal wie, egal was, egal wo und vor allem: Egal warum.
Ja, warum eigentlich? Könnte man sich fragen, aber man kommt ja nicht dazu, weil man schnell sein muss, weil man ja keine Zeit hat.
Keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit zum reflektieren, sondern immer nur produzieren, produzieren, produzieren.
Egal was, egal wie, egal, warum und wieso.
Zeit, Zeit, Zeit.
Zivilisierte Zeit? Scheißzeit. Steinzeit!

Fick dich, Zeit, sage ich da nur.
Und boykottier’ diese Zeit
Ich reflektier’ lieber und kreir’
bevor wieder alter Adel regiert
Richtig gehört, ich boykottier’ diese Zeit
Denn ich weiß, warum und wieso
Ich will Zeit.

Zeit für mich, für mich ganz allein. Zum Nachdenken, zum Reflektieren, zum Kreiren, Warum?
Na, weil ich ein egoistisches Arschloch bin, deshalb! Ist doch klar, oder?
Du willst auch Zeit? Nimm dir doch selber welche!
Oder geh den Müll raus bringen, falls du es nicht kannst.
Zeit, Zeit, Zeit.
Herdentrieb, produzierte Zeit, produzierte Welt.
Scheißzeit, Scheißwelt?
Mir egal.

Denn ich bin frei.
Und jetzt kommt meine Zeit.

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