Donnerstag, 13. November 2014
Indie-Interaktion allererster Güte
Augustines im zakk, 12.11.2014

Die formidabel aufgelegten und für eine Vorband exquisit zelebrierten Arkells bereiteten am Tag 2 der 5. Jahreszeit in Düsseldorf den Boden für eine der vielversprechendsten Neuentdeckungen des amerikanischen Indie Rock, sowie der lebendig dargebotenen Musik im Allgemeinen - den Augustines aus Brooklyn, New York.

Augustines Düsseldorf 2014

Und in der Tat musste das Publikum im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften zakk auch vom Main Act trotz der rasch enorme Energien und Emotionen freisetzenden Takte noch warm gespielt werden bis es ähnlich abging wie deren Mann an der Trompete. Die hierfür notwendige Interaktion mit der Crowd beherrschen die Augustines bereits wie kaum eine andere Kapelle. Man könnte nun davon sprechen, dass sie sich des ganzen "Repertoires" der musikalischen Live-Unterhaltung bedienten, um das Publikum gewogen zu stimmen. Angesichts der Authentizität, Passion und Wucht, mit der das Dreigestirn (mitsamt Trompetenmann) über die Bühne wirbelt, mutet diese technisch abgeklärte Umschreibung jedoch schon fast ketzerisch an. Als Teil der staunenden Masse fühlt man geradezu die ernsthafte Hingabe, mit der die Jungs aus New York ihre Songs in die Welt hinaus ballern. An passender Stelle (z. B. bei Balladen wie "Juarez") wird mal andächtig das Licht gedämmt, mal spontan ein Mensch mit Bier auf die Bühne geholt oder, in einer kurzen Erholungsphase, eine Anekdote von aggressiven Katzen aus dem Hause des Multi-Instrumentalisten Sanderson zum Besten gegeben.

Das Live-Kerngeschäft, die Musik und hier an erster Stelle das eindrucksvolle Organ des Billy McCarthy, ist ohnehin über jede Kritik erhaben. Endgültig springt der Funke zwischen den Augustines und Düsseldorf dann über, als sie ankündigen, einen letzten Song zu spielen nur um dann plötzlich ein Akustikset von dem höher gelegenen Verbindungstribünenlaufsteg des zakk aus dem Hut zu zaubern. An dieser Stelle erreichen sie nicht nur physisch eine Höhe, die nicht viele Bands bei ihren Konzerten zu erklimmen vermögen. Die Intensität der Interaktion gelangt an ihren Höhepunkt, als die Augustines nach kurzer "Psst!"-Beruhigung bei dem wundervollen "The Avenue" aus einem Publikum ihren eigenen Chor, ihr zusätzliches Organ formieren. Von oben herab und doch als lebendig vibrierender Teil des Ganzen.

Denkt der Normalität gewöhnte Konzertgänger, dass nach diesem Highlight und einer erneuten Rückkehr auf die richtige Bühne das Konzert nun ein Ende nimmt, packen die Jungs aus Brooklyn noch eine Schippe drauf. Fugs wird sich mit den Instrumenten ein Weg durch die verblüffte Crowd gebahnt und in deren Mitte fröhlich weiter musiziert. Hier nimmt das Konzert eine selten dargebotene Form von Straßenmusik an und pulsiert lebendiger und intensiver als je zuvor. Willkürlich stellt man sich die Frage, wie Billy McCarthy das mit seiner Stimme Abend für Abend ohne Mikrofon durchziehen kann. Zumal es bei dieser dargebotenen, voller Passion steckenden Kunst nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis die Clubs größer und der Rahmen unfamiliärer mutieren wird. Das sind jedoch Luxussorgen, die den heute angenehm kunstvoll becircten Konzertbesucher nicht tangieren. Er/Sie nimmt nur die ausgelassene Stimmung, das Gefühl von tiefer Freiheit und eine ausgesprochen große Portion Indie-Impression mit in die Nacht. Auf die Publikation der heute gefilmten Konzertelemente darf man gespannt sein. Now you are free.

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Dienstag, 8. November 2011
Gedanken zu Melancholia von Lars von Trier
Zurück aus Melancholia. Lars von Triers Weltuntergang ist so absolut gnadenlos, dass das Schweigen und die Stille des totalen Endes absolut wird. Kein Happy End, kein Held, der in letzter Sekunde das Ruder herum reißt, nicht einmal ein Paradies, nicht einmal eine Hölle. Einfach nur nichts. Der Slogan, der für die Werbung reichen muss, reicht auch, um mit allem abzuschließen und die Vergänglichkeit allen Seins darzustellen. Vanitas. Es kommt noch schlimmer. „Every single creature dies alone“, wusste schon Donnie Darko. Für das kollektive Sterben in Melancholia gilt diese Erkenntnis auch, ist aber aufgrund des parallelen Abnippelns von Milliarden von Lebewesen umso härter.

Lars von Trier haut mit seiner konsequenten Apokalypse ohne Himmel all jenen in die Fresse, die die Geschichte der Menschen und insbesondere die ihrige derart wichtig nehmen, dass sie nicht nur ihre eigene Vergänglichkeit ignorieren, sondern auch den Fakt, dass sie nur der Hauch eines Sandkorns am unendlichen Strand der Zeit sind. Ein Furz im Universum. (Was vielleicht das einzige ist, was wirklich unendlich wächst. Wo wir gerade bei Fehlern und neuen Erkenntnissen der Menschheit sind.) Jeder einzelne Mensch ist also ein absolutes Nichts. Egal, was er erreicht, wie viel verdient, zusammen gerafft und was er vielleicht wirklich bewegt hat. Am Ende schluckt er aus Feigheit eine Überdosis Pillen und verreckt an seiner eigenen Kotze im Pferdestall. Er ist so von seiner kleinen Welt der menschlichen Errungenschaften überzeugt, dass er keine Zweifel zulässt. Alternativlos ist sein Leben und so muss es enden.

Lars von Trier hält den Spiegel vor und zertrümmert mit diesem das Selbstverständnis und das Ego der modernen Menschenwelt. Wer mit Melancholia gestorben ist, dem bleibt nur eine große Popcorntüte Demut. Und eine kleine, ruhende Hoffnung. Und diese flüstert: Wir leben nur für uns selbst. Was zählt, ist das Glück des Augenblicks. Unsere Zivilisation ist nur ein Wimpernschlag alt, vielleicht bleibt es dabei. Bis es soweit ist, müssen nur eines tun: leben.

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Donnerstag, 27. Oktober 2011
Eine Überdosis Glück im Augenblick
Mikroboy in Düsseldorf, Stahlwerk, 26.10.2011

Gefühlt belegen stets die besten, die wertvollsten Musiker bei kommerziellen Veranstaltungen und vergleichenden Rankings die letzten Plätze. Wenn es für diesen gefühlten Fakt („Fühl-Fakt“, d. Gedankensturm-Wortschöpfungs-Lexikon) eines weiteren, aktuellen Beweises bedurft hätte, so könnten Indie-Pop-Liebhaber der Gegenwart von der Band Mikroboy erzählen. Diese Herrschaften um Sänger Michael Ludes vereinen eingängige und doch nachdenkliche Hymnen mit einer einmaligen Portion melancholischer Hoffnung, die durch einen seichten Schuss Elektronik bis auf die Spitze getrieben wird.
Wer all diese Eigenschaften zusammen zählt und für ein, zwei Minuten der aktuellen Single „Es hat sich einiges getan“ http://www.youtube.com/watch?v=u2AMrAJYTOs lauscht und dann noch von Teilnahmen am Bundesvision Song Contest hört, wird diese Gleichung wahrscheinlich mit „Das nächste große Ding“ lösen. Zum Glück der Jetzt-schon-Fans und zum Pech der Geldbörsen der Mikrojungs funktioniert der Musikmarkt dann doch nicht so einfach und daher belegte die Band vor ziemlich genau einem Jahr für das Saarland den vorletzten Platz. Das neue, das zweite Album „Eine Frage der Zeit“ stieg auf Platz 96 in die Charts ein.
All dies führt dazu, dass sich an einem Mittwochabend Ende Oktober ca. 50 Leute in das Düsseldorfer Stahlwerk verirren und ein wahrlich wundervolles Konzert erleben. Ein junger Mann aus Hamburg, der beteuert, sonst nicht alleine auf der Bühne zu stehen, eröffnet singer-songwriter-mäßig sehr stimmungsvoll den Abend. Das Publikum, eine Mischung aus kleinen bis mittelgroßen Mädchen und alternativen Konzertgängern ist locker warm gespielt. Dann kommen die extrem gut gelaunten Mikroboy an die Instrumente und verströmen vom ersten Augenblick an eine dynamische Mischung aus Euphorie und Melancholie, dass es selbst noch nicht warm gespielten Zuhörern auf der Stelle warm ums Herz wird. „Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten“ - den Titel ihrer allerersten Single scheint die fröhliche Kapelle sich als Konzert-, wenn nicht als Lebens-Motto angeeignet zu haben. In einer maximal zu 1/3 Drittel gefüllten Halle kann natürlich keine Sauna-Atmosphäre aufkommen, dennoch wippt und tanzt das vom Glück bestäubte Publikum eifrig im Takt mit dem Zauber des Blütenstaubs, der langsam aber stetig von der Bühne rieselt. Grund genug für Frontmann Michi Ludes, die Textsicherheit des lauschenden Volkes zu testen. Und so erklingt bald darauf der wunderbare Refrain von „Nichts ist umsonst“ aus nicht wenigen Kehlen:

„Denn nur wer weiß, wohin er will und was er kann
kann auch schaffen, was die Welt von ihm verlangt“

Spätestens ab diesem gelungenen Interaktionstest ist der Funke endgültig übergesprungen. Mikroboy spielen 15 Songs ohne Pause, aber mit viel Rhythmus und Herz durch den Abend. Trinken kurz ein Bierchen während die Jetzt-Fans begeistert nach einer Zugabe verlangen. Diese fällt ganze 6 Kulturgüter stark aus und gipfelt in der Lebensreflektionshymne „Vom Leben und Verstehen“. Besser als mit den hierin enthalten Worten kann man sowieso überhaupt gar nichts beschreiben, darum hält der Verfasser dieser Zeilen jetzt einfach mal die Fresse und verneigt sich in stiller Ehrfurcht vor dem, der folgendes zu Papier brachte:

"Eine Mischung aus Erinnerung und Traum,
doch wenn ich ehrlich bin erinnere ich mich kaum.
Was zu dem Schluss führt, dass die Phantasie gewinnt,
eine Überdosis Glück im Augenblick
und wenn es nötig ist bleibt nichts davon zurück"

Danke, Mikroboy. Düsseldorf mag euch. Kommt wieder, bitte.

Setlist:

1. Immer auf der Suche
2. Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten
3. Ein einzelnes Atom
4. Es hat sich einiges getan
5. Du. Nicht wir.
6. Nichts ist umsonst
7. Solang' der Mut den Zweifel schlägt
8. Herzen aus Holz
9. Alle Menschen verlieren Sachen
10. Du oder ich oder wir alle
11. Apollo
12. Rückschritt gleich Fortschritt
13. Angekommen
14. Pre Oder Post
15. Atmen und Aushalten
16. Bis zum Ende
17. Wann bleibst du endlich
18. Nach dem Höhepunkt links ab
19. Irgendwie unangenehm
20. Lass mich irgendwas sein
21. Vom Leben und Verstehen

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Sonntag, 5. Juni 2011
Echte Hardcore-Passion – H2O im Stone im Ratinger Hof
Echten New York Hardcore der allerfeinsten Sorte gab es gestern im Stone im Ratinger Hof zu bestaunen. H2O, die Band um den ehemaligen Sick Of It All Roadie Toby Morse, waren am Start und lieferten eine fulminante, kurzweilige Show ab.

Die mehr oder weniger lokalen Nachwuchs-Kapellen Look My Way und Get It Done! durften sich die Ehre teilen, dieses Fest zu eröffnen. Durchaus warm, aber nicht so richtig heiß wurde das Publikum von beiden gespielt, was vielleicht auch dem nicht sehr sauberen Sound geschuldet war.
Als H2O dann mit perfekter Technik die Bühne enterten, fiel der Unterschied zu den Tönen zuvor noch stärker auf, aber das interessierte zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr. H2O gaben alles und die Damen (ohja!) und Herren direkt vor der Bühne gaben noch mehr. Im Pit wurden spätestens mit „Nothing To Prove“ keine Gefangenen mehr gemacht. Die Menschen auf den kleinen Balustraden links und rechts wollten offensichtlich daran teilhaben und so regnete es Stagediver im Sekundentakt. Soviel gelebte Passion kam auch bei den Hauptdarstellern an, so kürte Toby Morse Düsseldorf schon nach wenigen Songs zum besten Deutschland-Konzert der Saison.
Viel mehr Stücke folgten allerdings leider, leider nicht mehr, so dass mit der Image- und Szene-Gehabe-hinterfragenden Hymne „What Happened?“ Feierabend war. Eine Zugabe gab es nicht. Vielleicht wollten die Jungs, dass starke Zeilen wie „What happened to the passion? Passion! What happened to the reason for screaming? What happened the music and the message that I love?“ den geneigten Konzertgänger mit nach Hause begleiten und den gewünschten Effekt im Denkapparat verrichten. Man weiß es nicht. Trotzdem, die Show an sich war überragend, ehrlich und von Herzen kommend, wie man es von einer authentischen Band wie H2O gewohnt ist. „Passion before Fashion“ eben.

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Unter Freunden – Mono & Nikitaman im zakk
Die Reggae / Dancehall Kombo Mono & Nikitaman kehrte mit Band und aktuellem Album „Unter Freunden“ im Gepäck in's zakk ein. Dank steigender Popularität wurde im Gegensatz zum letzten Gastspiel nun die größere Halle bespielt.

So strömte dann auch ein buntes, teilweise junges Volk - mit dem ein oder anderen Klischee-Reggaeisten garniert - gut gelaunt und in wohliger Vorfreude durch die Tore. Die Vorband griff die glücklich-entspannte Stimmung auf und vermochte erste Euphorie und Mitklatsch-Orgien zu entfachen. Dies steigerte sich, als nacheinander Band, Mono und schließlich Nikitaman die Szenerie betraten und das taten, was sie am besten können. Im Programm hatten sie selbstverständlich ihren vierten, erstmals auch in den deutschen Charts vertretenen Langspieler, der beim Publikum durchaus ähnlich gut ankam wie die altbekannten Klassiker. Diese wurden insbesondere in Form von „Für immer“ oder „Gras ist legal“ aber besonders abgefeiert und vor allem mitgesungen.Der Text des letzteren Liedguts lieferte manchem Fan ein Stichwort, so dass das bestehende Rauchverbot im zakk eher als Nikotin-Verbot interpretiert wurde. Noch mehr allgemeinen Zuspruch erntete Nikitaman mit seinen Aufruf zu mehr Frieden und Liebe in der Welt. Auch seine Verbundenheit zu Düsseldorf wurde beklatscht, so ist der gute ja bekanntermaßen in einem nahegelegenen besetzten Haus in der Kiefernstraße aufgewachsen. Auch aus dieser Tradition betrachtet schien der ein oder andere Langzeitfan sich nach der exzessiveren Enge der kleineren Halle zu sehnen. Man munkelt, dort sei die Crowd noch ein wenig steiler gegangen und habe ausgiebiger das Tanzbein geschwungen. Flächendeckende Unzufriedenheit ließ sich an diesem Abend jedoch beim besten Willen nicht ausmachen. Der Großteil der Reggae-Lauscher fühlte sich sichtbar „unter Freunden“ und entschwand mit einem seligen Ausdruck des Glücks in die Nacht.

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Absolute Ekstase – Egotronic im Stone im Ratinger Hof
Am Ostersonntag regierte das Lustprinzip im Stone im Ratinger Hof. Die Electropunker von Electronic gaben sich die Ehre, im überraschenderweise nicht ausverkauften Haus groß aufzuspielen.

Der Düsseldorfer Auftritt bildete den Abschluss der zehntägigen „Gegengerade“-Tour. „Gegengerade“? Ist das nicht dieser Fußballfilm? Richtig, dieser Film um und über den FC St. Pauli, für dessen musikalische Untermalung eben just die Kapelle Egotronic engagiert worden ist. Den Filmemachern und Musikern ging diese kulturelle Symbiose allerdings noch nicht weit genug. „Fuck the law! Was ist Kino und was ist ein Konzert?“ sagten sie sich. Und so gab es erst im Lichtspielhaus Bambi den Film und im Anschluss im Musikspielhaus Stone den dazugehörigen Sound zu bestaunen. Zu vergünstigten Konditionen bei Erwerb des Kombi-Pakets, versteht sich. Dort drin enthalten war auch die formidable Vorband Disco Crunch, die gut gelaunt und Energie geladen die anfangs noch spärliche, aber bunt gemischte Meute auf Betriebstemperatur brachte.
Gegen Ende des Sets beteiligte sich auch Egotronic-Mastermind Torsun an den Aufwärmübungen und zeigte zum ersten Mal, dass die Stimmung der Bands der der sommerlich gewärmten Konzertgänger in nichts nachstand. Als dann die Hauptdarsteller die Bühne betraten, war ob der ausufernden Publikums-Partizipation schnell klar, dass es ein richtig heißer Abend werden würde. Jeder Song wurde begeistert beklatscht, besungen und vor allem betanzt. Auch Torsuns gewohnt klaren Worte zu anstehenden Nazi-Demos u. a. am 1. Mai in Kaiserslautern trafen den Nerv der Zuhörer und förderten bekannte Antifa-Rufe zu Tage.
„Raven gegen Deutschland“ hieß das Programm, aber mit Stil und vor allem viel Lust. Die Menge verwandelte sich rasend schnell in einen schwitzenden, hüpfenden, aber allem Anschein nach ausgesprochen glücklichen Haufen. Die Band ging ebenso steil und nutzte gekonnt dieses interaktive Potential. Bei „Was solls“ durfte ein Junge namens Sebastian den Rüde-Part singen, was ihm erstaunlich gut gelang. Für die Zugabe bat Torsun die ganze Crew auf die Bühne. Zu dieser gehört übrigens auch der „Gegengerade“-Regisseur Tarek Ehlail, der diese wundervollen Augenblicke mit seiner Kamera festhielt. Entstehen wird daraus eine Tour-DVD, welche in Bälde als Bonus-Version mit dem soeben erschienenen „Gegengerade“-Soundtrack veröffentlicht wird. Da hat auch das Label mitgedacht. Denn diese Bilder waren wahrlich für die Ewigkeit bestimmt. Wie der halbe „Innenraum“ bei "Von nichts gewuszt" die Bühne stürmte und abfeierte und wie Egotronic mit Worten wie „Wir spielen einfach noch eins, wird schon keiner was dagegen haben.“ noch eine und noch eine Zugabe in die ekstatische Menge pfefferten, das war schon ganz, ganz großes Tennis. Mit „Die Partei“ hörte dann der Spaß auf, der Siedepunkt war erreicht. Wer sein T-Shirt durchgeschwitzt hatte, konnte für faire 12 € ein neues, schöneres erwerben. Und sich auf die Tour-DVD freuen. Oder auf das neue Album. Oder über 10 Jahre Egotronic und darüber, dass die Jungs nach so einer elektrisierenden Ekstase-Show bestimmt gerne wieder kommen. Und dann wird die Hütte auch richtig voll.

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Ready to almost die? - Disco Ensemble im Stone
„Yeah so Düsseldorf is sold out tonight. READY TO ALMOST DIE?“ fragten Disco Ensemble frech-vollmundig via Twitter kurz vor ihrer Show im altehrwürdigen Stone und versprachen damit eine ganze Menge, aber nicht zu viel. Für furiose Live-Action sind die sympathischen Finnen schließlich ebenso bekannt wie für ihr qualitativ hochwertiges Liedgut, welches trotz enormer Genre-Vielfalt einen hohen Wiedererkennungswert besitzt und – die große Schublade muss reichen – einfach nur rockt.

Diese Ansicht vertraten offensichtlich auch die gut gelaunten Menschen, die sich zwecks maximaler Nähe zur Bühne dermaßen dicht in den kleinen Club drängelten, dass sie beinahe gestapelt werden mussten. Als dann nach etwas längerer Wartezeit das Licht aus und der Jubel an ging und bald darauf die vier Finnen ihre Mischung aus Post-Hardcore, Indie und Punk auf dass Parkett zimmerten, löste sich zumindest das Platzproblem unmittelbar vor der Bühne in Wohlgefallen auf. Mit dieser Energie geladene Circle Pits schaffen sich einfach ihren Raum. Die in bläulichem Neon gut beleuchtete Band wies ob des ekstatischen Treibens wenige Meter vor ihnen prompt darauf hin, gut aufeinander aufzupassen. Schließlich sind sie – der Twitter-Rhetorik zum Trotz – kaum scharf darauf, dass ihre Fans das Zeitliche segnen. So viele haben sie ja noch immer nicht, wie man nach jedem gutem Langspieler und jedem grandiosen Konzert immer wieder etwas verwundert feststellen muss. Auch an diesem Abend machte das Publikum einen nicht nur äußerst verschwitzten, sondern auch äußerst glücklichen Eindruck. Allenfalls die etwas kurze Spielzeit, die bei der ein oder anderen Pause eine Stunde nicht weit überschritt, ließ ein wenig Raum für Kritik. Der Sound kam klar und druckvoll und dem sichtlich gut gelaunten Ensemble waren spieltechnische Fauxpas auch eher fremd. Und spätestens mit „First Aid Kit“-Krachern wie „Black Euro“ benötigte auch der Begriff „Disco“ im Namen keine weitere Erläuterung. Gegen viertel vor elf entließ die Band dann ihr „fantastic audience“ in die Nacht, das Freitag Abend Programm des Stone wartete. Das Ensemble ging, die Disco blieb. Und niemand musste sterben. Und wenn, dann nur beinahe. Vor Glück.

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Auf der Erfolgsspur – Jupiter Jones im Zakk
2011 haben Jupiter Jones als das Jahr ausgeschrieben, in dem alle Menschen mitbekommen sollen, was für eine grandiose Mischung aus authentischem Punkrock und einfühlsamen Balladen die Jungs aus der Eifel auf Platte und Parkett zaubern können. Da traf es sich gut, dass im Gegensatz zum letzten Gastspiel vor ca. 1,5 Jahren die maximal mögliche Anzahl an Menschen in das Düsseldorfer Zakk gekommen war.

Die Weichen zur Verbreitung der Kunde über die Qualität besagter Kapelle wurden bereits im letzten Jahr mit einem Sprung vom hauseigenen zu einem Major-Label gestellt. Auch dank der professionelleren Begleitung konnten Jupiter Jones sich so zum ersten Mal über eine spitzenmäßige Chart-Position freuen. Derlei Vorgänge lassen in so manchem alteingesessenem Fan natürlich die Furcht vor Ausverkauf und Authentizitätsverlust reifen. Auf der Bühne, die von Dakoton formidabel warm gespielt worden war, wurden solche Zweifel aber in Intro-Kürze weggefegt. An der Qualität, der Ehrlichkeit, der gigantischen Portion Gefühl, die in von Jupiter Jones handgemachten Liedern steckt und vor allem am fröhlich-bedächtigem Vortrag dieser vermag schließlich auch keine steil ansteigende Radio-Rotation etwas zu ändern. Diese Band lebt Musik, wie eine Band nur Musik leben kann und dabei nimmt sie alte wie neue Fans mit. Die neuen Fans müssen sich erst noch ein wenig gewöhnen, dass bei punkigen Nummern der Ellenbogentanz ausgerufen wird, aber auch dieser fügt sich in die anfangs noch zurückhaltende Menge ebenso passend ein wie der nachhaltig großartig wirkende „Badabada“-Chor zu „Land in Sicht“.
Die Band setzt voll auf ihr aktuellstes Material und durchtränkt die Setlist mit ihrem vierten Langspieler „Jupiter Jones“. Darüber, dass dieses Unterfangen nicht ganz ohne Risiko behaftet ist, geht Sänger Nicholas selbstironisch-lässig hinweg. „Wir spielen jetzt mal was vom neuen Album … Oh, da hört der Applaus auf.“ Über solche Sprüche lachen und noch damit punkten kann nur, wer sich des eigenen Könnens ebenso sicher ist wie der Woge des Erfolgs, auf der er schwimmt.
Und dann kommt dieser Moment, in dem das ganze Zakk so leidenschaftlich nacheinander „Wir sind ja schließlich nicht Metallica“ und „Still“ singt, dass Worte kaum ausreichen, um ihn zu beschreiben. Der alte „Jupp“ folgt als Zugabe auf den neuen und bei der Extra-Zugabe „Du und Jörg Haider“ dürfen noch einmal die Ellenbogen ausgepackt werden. Laut und leise, leise und laut, die Mischung hat seit jeher gestimmt bei Jupiter Jones.
Man weiß nicht, in was für Hallen und Sphären die Herrschaften noch vorstoßen. Der Erfolg trifft eine Band, die bodenständig, sympathisch auftritt, sich nach dem Akt noch Zeit für die Fans nimmt, unbestritten wundervolles Liedgut erschafft und dieses fast noch besser live präsentiert – und damit auf jeden Fall die Richtigen.

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Tanzen, Hüpfen, Nachdenken – Rise Against im Palladium
Eine seit Wochen ausverkaufte Tournee in deutschen Landen und ein Album auf Platz 1 der hiesigen Charts, damit können sich die Jungs von Rise Against wohl das Prädikat Punkrock-Band der Stunde an die mit Idealen und inbrünstiger Spielfreude gefüllte, schwellende Brust heften. Auch in das picke-packe-volle Palladium zu Köln war eine hungrige, bunt gemischte Meute getigert, um sich von den viel gerühmten Live-Qualitäten der Herren aus Chicago zu überzeugen.

Das Warmspielen des Publikums durften Coliseum übernehmen. Die Meute dankte es mit steigender Körpertemperatur und überdurchschnittlichem Vorband-Applaus. Den gelungenen Auftritt rundete ein gewisser Zach Blair als Gast-Gitarrist ab. In der anschließenden Umbaupause mussten die hinteren 2/3 der Halle die etwas enttäuschende und bisweilen schmerzliche Feststellung machen, dass die Veranstalter sie offensichtlich nicht mit dem vorderem Drittel spielen lassen wollten, da ein nicht umgehbarer Wellenbrecher das Palladium durchzog. Vielleicht erinnerte man sich daran, dass beim letzten Gastspiel in der Gegend der einzige Brecher der Düsseldorfer Philipshalle von der wogenden Masse so arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass er eine halbstündige Pause verursachte.
Egal. Bei den ersten Klängen von „Chamber The Cartridge“ und den obligatorischen „Rise!“-Rufen war alles vergessen. Schwer zu sagen, warum manche Bands ihr Set einfach nur herunter spielen und manche – wie Rise Against – diese unglaubliche Energie entwickeln und damit das Publikum wieder und wieder durch die Hallen dieser Hemisphäre pusten. Das mehr als rockbare, live-taugliche Liedgut mag eine Erklärung liefern, die von der Band verkörperte Mischung aus Professionalität, authentischer Spielfreude und der Überzeugung, das Richtige zu tun, ebenfalls.
Aufgetischt wird das Ganze in einer ausgewogenen Setlist, in der sich die beiden Single-Auskopplungen „Help Is On The Way“ und „Architects“ als Vertreter der aktuellen Kunst neben den einmal mehr zündenden Klassikern harmonisch einfügen. So gibt es spätestens bei „Prayer Of The Refugee“ kein Halten mehr – wen es jetzt nicht in einen der vielen Circle Pits reißt, der wird diesen wohl auch bei künftigen Konzerten aus dem Wege gehen. Aber auch politisches Engagement darf bei Rise Against nicht fehlen. So spielt eine im Hurrikane Katrina gefangene Familie die Hauptrolle in ihrem jüngsten Video zu „Help Is On The Way“. Und bei Konzerten der überzeugten Vegetarier ist nicht nur Platz für (teures) Merchandise sondern auch für Peta2. Der lautstarke Applaus zu der Anteil nehmenden Ansage zur Situation in Japan lässt ahnen, dass das Publikum der Band auch auf diesen Wegen folgt – oder es zumindest ab und an in Erwägung zieht.
Die Zugabe beginnt mit der geballten Akustik-Emotionalität aus „Swing Life Away“ und „Hero Of War“, die andächtigen Balladen, die es dem geneigtem Besucher gestatten, die Begleitung des Herzens in den Arm zu nehmen, um es mit den Worten des Schöpfers und Kapellmeisters, Tim McIlrath, zu sagen. Wer zum Schluss noch in der Lage ist, gegen andere Menschen zu springen, der vollführt dies bezeichnenderweise bei „Give It All“ und final bei „Ready To Fall“. Die schwitzende Band bedankt sich glücklich bei der schwitzenden Meute, die ihr ausverkaufte Hallen und Spitzenpositionen in kommerziellen Ranglisten („Our first number one!“) beschert. Die schwitzende Meute bedankt sich für eine wundervolle Darbietung wundervoller Musik, einer Gelegenheit zum Tanzen, Hüpfen und sogar zum Nachdenken. Da bleibt beiden Parteien wohl nur folgender Gedanke im Kopf hängen: „Und wann sehen wir uns wieder?“

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Sonntag, 13. März 2011
The Gaslight Anthem live – We came to dance
Lüdinghausen, Area4 Festival 2010, strömender Regen nach 3 Tagen Sonnenschein. The Gaslight Anthem, die selbsternannte „Bruce Springsteen Version einer Cure-Coverband mit einer etwas aggressiveren Note“ entert die Bühne. Große Erwartungen herrschen beim Publikum, schließlich durften Brian Fallon & Co bereits im Jahre 2008 bei ihrem allerersten Festivalauftritt in Europa das Area4 vor familiärer Kulisse eröffnen.

http://www.youtube.com/watch?v=opZ9cqjqs_k

Diese hatte sich analog zum Erfolg der Band dem Wetter zum Trotz um einiges vervielfacht. Nach den ersten Klängen von „Great Expectations“ war dann auch schnell klar, dass die Band diesen vollauf gerecht werden würde. Die Jungs aus New Jersey zaubern ein Konglomerat aus tiefen Gefühlen, Rock’n’Roll und Party-Attitüde auf die Bretter und garnieren das Ganze mit einer Spielfreude, dass jedem Liebhaber alternativer Musik einfach nur warm um’s Herz werden kann. Erste Sell-out und Mainstream-Anbandelungsversuche werden trotz des zugegebenermaßen softeren Chartstürmers „American Slang“ gekonnt umschifft. Zu sehr fügen sich die Titel ihres dritten Albums in die ausgeglichene Setlist zu einem Gesamtkunstwerk zusammen, das die nasse Meute zu neuen wie alten Songs ausgiebig tanzen, pogen, hüpfen, klatschen und bei ruhigeren Momenten andächtig lauschen lässt.
Die noch immer junge Band weiß das zu schätzen, bedankt sich artig in Person vom charismatischen Fronter Fallon und genießt nicht nur die entgegengebrachte Wertschätzung, sondern auch das eigene Tun sichtlich aus vollen Zügen. Jede Textzeile, jeder Riff scheint trotz der federhaften Leichtigkeit von tiefem Herzen zu kommen. Man vergisst, dass diese Band mittlerweile mit besagtem Herrn Springsteen vor bereits viel größeren Massen gespielt hat und sich dort wohl auch in Zukunft etablieren wird. Wehmut mag da bei der ein oder anderen Underground-Seele mitschwingen, aber solange solche Performances wie diese dabei herauskommen, wird auch der eingefleischteste Hardcore-Fan nur schlechten Gewissens den Sell-Out-Finger heben.

Setlist:
1. Great Expectations
2. Wooderson
3. The Diamond Church Street Choir
4. Old White Lincoln
5. Even Cowgirls Get The Blues
6. Old Haunts
7. The '59 Sound
8. We Came To Dance
9. American Slang
10. The Spirit Of Jazz
11. Miles Davis & The Cool
12. Bring It On
13. Film Noir
14. The Queen Of Lower Chelsea
15. Stay Lucky
16. The Backseat

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