Donnerstag, 13. November 2014
Indie-Interaktion allererster Güte
Augustines im zakk, 12.11.2014

Die formidabel aufgelegten und für eine Vorband exquisit zelebrierten Arkells bereiteten am Tag 2 der 5. Jahreszeit in Düsseldorf den Boden für eine der vielversprechendsten Neuentdeckungen des amerikanischen Indie Rock, sowie der lebendig dargebotenen Musik im Allgemeinen - den Augustines aus Brooklyn, New York.

Augustines Düsseldorf 2014

Und in der Tat musste das Publikum im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften zakk auch vom Main Act trotz der rasch enorme Energien und Emotionen freisetzenden Takte noch warm gespielt werden bis es ähnlich abging wie deren Mann an der Trompete. Die hierfür notwendige Interaktion mit der Crowd beherrschen die Augustines bereits wie kaum eine andere Kapelle. Man könnte nun davon sprechen, dass sie sich des ganzen "Repertoires" der musikalischen Live-Unterhaltung bedienten, um das Publikum gewogen zu stimmen. Angesichts der Authentizität, Passion und Wucht, mit der das Dreigestirn (mitsamt Trompetenmann) über die Bühne wirbelt, mutet diese technisch abgeklärte Umschreibung jedoch schon fast ketzerisch an. Als Teil der staunenden Masse fühlt man geradezu die ernsthafte Hingabe, mit der die Jungs aus New York ihre Songs in die Welt hinaus ballern. An passender Stelle (z. B. bei Balladen wie "Juarez") wird mal andächtig das Licht gedämmt, mal spontan ein Mensch mit Bier auf die Bühne geholt oder, in einer kurzen Erholungsphase, eine Anekdote von aggressiven Katzen aus dem Hause des Multi-Instrumentalisten Sanderson zum Besten gegeben.

Das Live-Kerngeschäft, die Musik und hier an erster Stelle das eindrucksvolle Organ des Billy McCarthy, ist ohnehin über jede Kritik erhaben. Endgültig springt der Funke zwischen den Augustines und Düsseldorf dann über, als sie ankündigen, einen letzten Song zu spielen nur um dann plötzlich ein Akustikset von dem höher gelegenen Verbindungstribünenlaufsteg des zakk aus dem Hut zu zaubern. An dieser Stelle erreichen sie nicht nur physisch eine Höhe, die nicht viele Bands bei ihren Konzerten zu erklimmen vermögen. Die Intensität der Interaktion gelangt an ihren Höhepunkt, als die Augustines nach kurzer "Psst!"-Beruhigung bei dem wundervollen "The Avenue" aus einem Publikum ihren eigenen Chor, ihr zusätzliches Organ formieren. Von oben herab und doch als lebendig vibrierender Teil des Ganzen.

Denkt der Normalität gewöhnte Konzertgänger, dass nach diesem Highlight und einer erneuten Rückkehr auf die richtige Bühne das Konzert nun ein Ende nimmt, packen die Jungs aus Brooklyn noch eine Schippe drauf. Fugs wird sich mit den Instrumenten ein Weg durch die verblüffte Crowd gebahnt und in deren Mitte fröhlich weiter musiziert. Hier nimmt das Konzert eine selten dargebotene Form von Straßenmusik an und pulsiert lebendiger und intensiver als je zuvor. Willkürlich stellt man sich die Frage, wie Billy McCarthy das mit seiner Stimme Abend für Abend ohne Mikrofon durchziehen kann. Zumal es bei dieser dargebotenen, voller Passion steckenden Kunst nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis die Clubs größer und der Rahmen unfamiliärer mutieren wird. Das sind jedoch Luxussorgen, die den heute angenehm kunstvoll becircten Konzertbesucher nicht tangieren. Er/Sie nimmt nur die ausgelassene Stimmung, das Gefühl von tiefer Freiheit und eine ausgesprochen große Portion Indie-Impression mit in die Nacht. Auf die Publikation der heute gefilmten Konzertelemente darf man gespannt sein. Now you are free.

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Mittwoch, 12. März 2014
Phnom Penh
Es faellt schwer, Worte zu finden, um Angkor Wat zu beschreiben. Es mag abgedroschen klingen, aber ich denke, man muss es wirklich mit eigenen Augen sehen. In jedem Fall gehoert es zu den beeindruckendsten Dingen, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe.



In der letzten Nacht in Siam Reap waren wir zusammen mit zwei Jungs aus Koeln in der ziemlich coolen roof top Bar des Mad Monkey Hostels. Der Boden war mit Sand ausgelegt. Einfach ein geiles Gefuehl, nach so langer Zeit wieder Sand unter den Fuessen zu spueren. Dazu noch ein kuehles Bier, nette Leute, was will man mehr? Nach einer kurzen Fahrt zu siebt in/auf einem Tuk Tuk ging es ab in die Pub Street, wo wir es ein wenig krachen haben lassen.



Die etwas verkatert und verspaetet aufgenommene, achtstuendige Fahrt nach Phnom Penh, die Hauptstadt von Kambodscha, war dagegen deutlich weniger angenehm. Die kambodschanischen Strassen sind nicht mit den thailaendischen zu vergleichen, ausserdem mussten wir eine Dauerbeschallung durch schlechte Gesangshows ertragen. Zum Glueck habe ich meiner Kopfhoerer dabei.
Das Homeland Guest House hier in Phnom Penh macht einen okayen Eindruck. Bislang hatten wir richtig Glueck mit unseren Hostels. Das kann gerne so bleiben. Hier habe ich zum ersten mal etwas schaerfer gegessen, 'hot chicken with rice'. Mit Peperoni-Schoten. :) War nice und nicht schaerfer als meine sonstigen Peperoni-Gerichte. Ausserdem half es, die etwas angeschlagenen Atemwege freizupusten. Mit 36 Grad habe ich ja keine Probleme, mit Klimaanlagen anscheinend schon.
Unsere Route haben wir ein wenig abgeaendert. Statt ueber eine aehnliche Strecke von Saigon nach Bangkok zurueck zu tuckern, nehmen wir nun erst die vietnamesische Insel Phu Quoc (Straaaand! :) mit und fliegen danach von der vietnamesischen wieder zurueck in die thailandische Hauptstadt.
Gestern haben wir uns mit den Koelnern das 'Killing Field', das Toul Sleng Muesum und den Royal Palace angesehen. Die 'Killing Fields' waren gewissermassen die KZs der Khmer Rouge. Unvorstellbares Grauen herrschte hier und vernichtete ueber zwei Millionen Menschenleben. Durch organisierte Toetungen, Folter oder als Folge von Zwangsarbeit und Unterernaehrung. Hauefig wurde die ganze Familie ausgeloescht. Es galt, das 'Gras an der Wurzel herauszureissen'. Und zwar unter der Praemisse, 'lieber einen Unschuldigen zu toeten als einen potentiellen Feind zu verschonen'.
Das galt auch fuer Kinder. Man wollte nicht, dass sie sich spaeter raechen. Kleinkinder und Babys wurden an sogenannten 'Killing Trees' umgebracht. Man nahm sie bei den Fuessen und schlug ihren Kopf gegen den massiven Stamm bis ihre Schaedel zerplatzten. Als man die 'Killing Fields' fand, klebte noch Blut und Knochstuecke an den Baeumen.
In dem Toul Sleng Museum, das ein ehemaliges Foltergefaengnis der Khmer Rouge ist, konnte man einzelne Biographien der Opfer nachlesen, auch die der 7 Ueberlenden des 'Killing Fields' in Phnom Penh. Insgesamt fielen hier ueber 20.000 Menschen dem Pol Pot Regime zum Opfer. Einer der Ueberlenden meldete sich, als ein Aufseher fragte, wer gut zeichnen koenne. Daraufhin wurde er zu 'Dutch', dem Leiter des Lagers, gebracht. Dieser erklaerte ihm, dass er ein Portraet von Pol Pot malen muesse, welches genau so gut ausszusehen habe wie ein Foto, dass er ihm als Vorlage zeigte. Andernfalls wuerde er ihn umbringen. An den Bildern im Zimmer konnte er erkennen, dass schon einige vor ihm daran gescheitert waren. Doch sein Portraet konnte 'Dutch' ueberzeugen. So wurde er fortan wie ein Soldat mit Nahrung etc. versorgt und konnte durch diese Privilegien ueberleben, als einer von 7 unter 20.000.
Neben den sieben haben zwei Kinder ueberlebt. Eines, weil es erst spaeter im 'Killing Field' deportiert wurde. Als die Kaempfe das Lager erreichten, versteckte es sich. Aus dem Versteck sah es den juengsten Gefangenen, ein ca. 6 Monate altes Baby. Es lag schreiend und weinend auf dem Boden. Dann wurde es still. Als der kleine Junge sah, wie dem Baby Ameisen in die Ohren krabbelten, realisierte er, dass es tot war.

Der Royal Palace, den wir anschliessend besuchten, war nach den Erfahrungen der letzen Tage nicht mehr ganz so eindrucksvoll. Nach einem kleinen Abstecher ueber einen Markt an der Riverside nahe des Mekong schlichen wir uns zu viert in ein teureres Hotel, um vom Dach aus den Sonnenuntergang zu beobachten. Der Blick ueber die Stadt war fantastisch. Und diesmal wollte mich keine Chinesin mit Bonbons bestechen und mit ihrer Tochter verkuppeln, wie beim letzten Sonnenuntergang auf dem Bakheng Mountain in Angkor Wat.
Spaeter trafen wir im Hostel der anderen beiden Jungs zwei Schweden und eine Deutsche und zogen mit ihnen durch zwei Bars, die aber leider nicht ganz so geil waren wie die in Siap Ream. Anschliessend goennten wir uns im Rotlichtviertel noch ein gutes Essen. Wir trafen dort einen aelteren Brasilianer, der mir erklaerte, dass viele Leute das Konzept der hiesigen Etablissements - er kam gerade aus einem - nicht verstuenden. 'You're just sitting around with beautiful women, you know?' Aha.
Um noch bis zum Bayern-Arsenal Spiel um 2:45 Uhr Ortszeit auszuharren, fehlte den meisten von uns die Frische, sodass auch M. und ich ein Tuk Tuk zu unserem Hostel nahmen. Leider schien sich der alte Fahrer in Phnom Penh nicht so gut auszukennen, so dass wir ein wenig planlos durch die Nacht irrten. Ein paar Mal fragte er Kollegen (Tuk Tuk Fahrer haengen wohl zu jeder Tagezeit irgendwo ab) nach dem Weg. Zusammen mit unserer ungefaehren Ahnung vom Standort des Hostels fanden wir dann irgendwann das gewuenschte Ziel. Ein bisschen aergerlich, aber besser, einen planlosen Fahrer zu haben als einen, der uns in einer dunklen Gasse verschwinden laesst. Dank des Fernsehers in unserem Zimmer konnten wir sogar noch das Spiel schauen, das ein paar Minuten spaeter anfing. Einmal mehr ein guter Tag in Kambodscha.

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Samstag, 8. März 2014
Kambodscha
Schlaflos in Kambodscha. Der Sonnenaufgang scheint noch weit entfernt zu sein. Siĕmréab ist bislang wundertoll. Die Kambodschaner wirken freundlich, irgendwie sanfter und ruhiger. Wobei dieser Ersteindruck auch täuschen mag. Natürlich ist es deutlich ländlicher als Bangkok und wirkt allein dadurch mehr wie Urlaub.

Der Weg von Bangkok nach Siĕmréab war krass. Vor allem die immer deutlich sichtbar werdende Armut. Von der Metropole zur Müllhalde. Ein Bewusstsein für Natur und Umwelt ist hier nicht existent. Die Leute kippen ihren Müll einfach vor die Haustür. An der Höhe der Müllberge lässt sich erkennen, wie lange sie dort schon leben. So ist teilweise das eigene Heim von einem fast geschlossenen Müllkranz umgeben. Der langsame Übergang zu Siĕmréab war ebenfalls eindrucksvoll. Es begann mit einem kleinen Bach, der parallel zur Straße verlief. Die gerade noch verdorrte Einöde wurde grüner und grüner. Das Wasser des Lebens. Faszinierend, was so ein bisschen Flüssigkeit bewirken kann. Keine hundert Enten mehr, die sich in eine 3 qm kleine Pfütze quetschen. Keine im Schlamm spielenden Kinder, keine vertrockneten Palmen. Keine Fische, die in einem versiegenden Wasserloch um ihr Überleben ringen. Der Bach wurde breiter, die Landschaft sumpfiger. Saftiger. Dann kam der erste Wasserbüffel*, der dem lebensspendenden Elixier entstieg. Gemächlich, irgendwie majestätisch und dörflich zugleich. Wasser tropfte von seinem Fell herab. Ein paar hundert Meter weiter endete der Bach in einer Art Wiederaufbereitungsanlage. Das Nass endete, doch das Grün blieb. Bis Siĕmréab.
Ich bin gespannt auf Angkor Wat. Schon die alten Khmer wussten ja, ähnlich wie die Römer, wie wertvoll, wie kostbar eine gute Wasserversorgung sein kann. Die Tempelstadt war in ihrer Blütezeit ähnlich groß wie das alte Rom. In ihr lebten 800.000 bis 1.000.000 Menschen. Vielleicht war sie sogar mal die größte Stadt der Welt. Aber wer weiß schon Sachen, die nicht einmal das Internet weiß?
Benjamin Prüfer, der seit Jahren mit seiner kambodschanischen Frau (und drei Kindern) in Pnom Penh lebt, schreibt, wie qualvoll es für die Bevölkerung sein muss, dermaßen verarmt im Schatten dieser alten Hochkultur zu leben. Immer wieder vor Augen geführt zu bekommen, was einst war. Und in den Spiegel zu schauen und zu wissen, dass das eigene Volk diesen Status so schnell nicht wieder erlangen wird. Zumindest nicht zu Lebzeiten. Dazu ist die Not zu groß. Zwischen der zweiten und dritten kambodschanischen Grenzbehörde wurde ich das erste Mal angebettelt, von einem kleinen Mädchen. Da die Wahrscheinlichkeit, dass es das Geld behalten würde, nicht besonders hoch war, habe ich nichts gegeben. Wir überlegen aber, gegen Ende unserer Reise einer Organisation eine Spende zukommen zu lassen, bei der wir sicher sein können, dass das Geld auch bei denen ankommt, die es benötigen.
Die Sonne geht auf. Coole Sache. Um 8:30 Uhr sammelt uns unser Tuk-Tuk-Fahrer Chai ein, um nach Angkor Wat zu starten. Apropos, die Angkor What!? Bar, die wir gestern entdeckt haben, sieht sehr, sehr cool aus. Die Wände sind voll mit Graffiti. Ein weißer Hai mit weit aufgerissenem Maul. Eine Jim Beam und eine Bacardi Flasche, die sich - als Mann und Frau überzeichnet -verschmitzt anflirten. Und überall Kritzeleien, Unterschriften, Sprüche, lustiger Nonsens von Gästen. Die gesamte Bar ist ein einziges Kunstwerk.



Frühstück. Mal schauen, wie der Banana Pancake im Victory Guest House schmeckt. Eingerichtet ist das Hostel sehr, sehr schön. Ich sitze unten in der Lobby. Sie besteht aus einer Art Vorbau, der auf sechs Säulen ruht. Eine längliche Seite ist von einer weißen Mauer umgeben, die andere von Palmen. Die Mauer scheint relativ lose in der Gegend herum zu stehen, schließt sich aber direkt an das Haus an. Das vordere Drittel ist wie eine Lounge als Cocktailbar eingerichtet. $2.50 kostet einer. Durch die offenen Eingänge dringt Tageslicht ein, jedoch nicht viel. Da die Lampen ausgeschaltet bleiben, herrscht ein in den Morgenstunden sehr angenehmes Halbdunkel, wie unmittelbar vor einem Sonnenaufgang. Die meisten anderen Gäste schlafen noch, nur ein paar ratternde Tuk-Tuk-Motoren und auf Flip-Flops durch die Gegend schlurfende Kambodschaner durchdringen die morgendliche Stille. Und just in diesem Augenblick schmeißt die Dame in der Küche den Mixer an! :D
Langsam nehmen die Geräusche zu, Siĕmréab erwacht zu Leben. Die einzige Ausnahme, das Paar aus Osteuropa, ich tippe aus irgendeinem Grund auf die Ukraine, raucht noch gechillt an der Cocktailbar. Der mittelalte, nicht mehr ganz so schlanke Kambodschaner im Liegestuhl präsentiert seine blanke Plauze und gähnt. Ich bezahle das Frühstück ($1.50 f. d. Banana Pancake) und stehe auf. Das heißt, ich versuche, das Frühstück zu bezahlen und sorge für Verwirrung bei der lieben Bedienung, die nicht sehr gut englisch spricht. Sie holt einen Mann zu Hilfe, der mir erklärt, dass das Frühstück im Preis included ist. Stimmt ja. Nun aber auf nach Angkor Wat, gleich kommt unser Tuk-Tuk.

*Den "Wasserbüffel hat Wikipedia für mich als Kouprey, eine Art Wildrind identifiziert

weiter nach Angkor Wat

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Samstag, 21. September 2013
BTW: Auf zum Demokratie-Tanz!
So, morgen ist Bundestagswahl.

1: Warum ich wählen gehe?

Weil meine Stimme zählt.
Weil sie mit ihrem Ruf aus der Wahlurne heraus eine Bedeutung erlangt, die ihren Wert als Single bei weitem übersteigt. Unsere Demokratie benötigt meine Stimme wie die Luft zum atmen.
Diese Stimme an dieser Stelle abgeben zu dürfen ist ein Privileg. Manche Menschen aus, sagen wir mal, anders gearteten politischen Systemen sind bereit, für dieses Privileg mit ihrem Leben zu bezahlen.
Mit meiner Stimme wähle ich die Demokratie. Weil sie zwar manchmal rumzickt und nervt, aber trotz allem noch immer die schärfste Schnitte auf der Party ist.

2. Warum ich denke, dass es einen Unterschied macht, welche Partei ich wähle?

Weil ich die Wahlprogramme gelesen habe.
Und da habe ich bei einer Partei ein paar Sachen entdeckt, die ich ziemlich cool finde. Nach einer erfolgreichen Wahl wird sie sich an diesen Inhalten orientieren und messen lassen. Leider werden bei anschließenden Koalitionsverhandlungen Themen, die mir viel bedeuten, auf der Strecke bleiben. Dafür erscheinen dann Punkte auf der Agenda, die meinem Nachbarn, meiner Oma, meinem Pizzabäcker wichtig sind. Das zu akzeptieren, gehört ebenfalls zu einer funktionierenden, einer lebendigen Demokratie.
Einige tanzen auf dieser Party aus Überzeugung mit ihrer Auserwählten, andere wollen erstmal knutschen und fummeln und dann schauen, was draus wird. So, nun muss ich aber los, die Dame meines Herzens hat sich hübsch gemacht und wartet darauf, von mir ausgeführt zu werden. Also, liebe Menschen, Bürgerinnen, Bürger: Tanzt den Demokratie-Tanz!

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Sonntag, 25. August 2013
Das Wort zum Sonntag
Sonntage ...
bieten eine gute Gelegenheit, einmal inne zu halten. Um sich gewissen Fragen zu stellen. Fragen von weltpolitischer Relevanz, wie manche es formulierten. Ich reduziere sie auf eine einzige. Und frage die Welt, die Menschheit und mich: What the fuck is wrong with you people?
Glücklicherweise bin ich nur mit einem durchschnittlichen Intellekt gesegnet. Denn jemandem, der das Geschehen auf diesem Blauen Planeten besser durchblickt, muss es doch schier in den Wahnsinn treiben ob des Treibens der trümmerhaften Reste dessen, was sich einmal selbst den Titel „Menschheit“ verliehen hat. Giftgas in das eigene Volk zu spritzen. Solche Verbrechen können sich nur Tyrannen leisten, die genau wissen, wann die selbsternannten Friedenswächter, diese unklar definierte Gemeinschaft Unvereinter Nationen einem misshandelten Volk die Hand reicht – und wann sie zuschaut wie es krepiert.
Die Formel ist ganz einfach. Keine, oder nur geringe Bodenschätze + einen Waffendeal mit Russland oder China und schon sind die aufmüpfigen Untertanen des Diktators zur Vergasung freigegeben.
In Libyen musste Gaddafis Stuhl nur kurz wackeln, schon wurde ihm sein erdölhaltiger Thron von europäischen Bombern unter dem königlichen Hintern weggeschossen. Das syrische Volk hat da mangels schwarzem Gold weniger Glück. Bleiben noch die Preisfragen des Tages: Was sagt es über die internationale Gemeinschaft aus, wenn sie es zulässt, dass ein UN-Mandat an ein Geschäft zwischen einem Diktator und einem lupenreinen Demokraten geknüpft ist? Wie können russische Waffen wertvoller sein als syrische Menschenleben?

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Dienstag, 7. Mai 2013
Neulich in der Weißwurstzentrale
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Man, man, man, die Medien machen mir langsam echt Druck. Mir, dem Vater Theresa, dem sozialen Gewissen der Republik! So, kann das nicht weiter gehen! Kalle, wie können wir von dieser Sache nur ablenken?
Experte für Arsch- und Haartransplantationen: Hmm... lass mich mal einen Blick in die vertraulichen Daten unserer Beraterfreunde werfen... Ah, hier, unser Mann bei SportsTotal, der leider aufgeflogen ist. Konnte noch herausfinden, dass Götze ne Ausstiegsklausel hat. 37 Millionen.
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Perfekt! Ruf sofort den Struth an, das gibt ne Welle!
Experte für Arsch- und Haartransplantationen: Aber Uli, nicht, dass wir uns wieder einen Korb holen? So wie letztes Jahr... und bei Reus, bei Hummels, bei Lewandowski... Diese doofen Dortmunder wollen einfach nicht unsere schöne Kohle! Das liegt alles nur an diesem Haartransplateur, der ist voll der Menschenfänger!
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Aha, wir haben doch jetzt auch einen! Ruf sofort den Spanier an. Sag ihm, ER soll Götze anrufen und ihm erzählen, dass er aus ihm den neuen Messi macht. Der Kleine will doch Weltstar werden, das schluckt er bestimmt!

Zwei Anrufe später...

Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: So, und jetzt Struth!
(Wählt)
Seriöser Spielerberater: Ja, SportsTotal, Struth hier, guten Tag.
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Grüß Gott Volker! Na, wie geht's dir? Was macht die Familie?
Seriöser Spielerberater: Mensch Uli, hör auf mit dem Scheiß. Mario hat mich schon 5x angerufen und "Ich werde der neue Messi! Messimessimessi!!" gerufen. Er will sogar "Messi II" auf seinem Trikot stehen haben.
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Na, dann ist ja alles klar! Für dich, lieber Volker, gibt's natürlich den üblichen Sonderbonus aus unserem guten alten Kirch-Deal-Festgeldkonto.
Seriöser Spielerberater: Alles klar, Uli. Nur eine Sache noch. Das darf auf keinen Fall vor Saisonende an die Öffentlichkeit! Vor allem nicht vor dem Halbfinale! Für Mario wird es das wichtigste Spiel seines Lebens. Seit Tagen redet er von nichts anderem. Vom BVB gar nicht erst zu reden. Die würden bei so einer Nummer doch total ausrasten und nie wieder Geschäfte mit mir machen!
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Volker, Volker, reg dich ab. Du kennst mich doch, ich bin ein seriöser Geschäftsmann.
Seriöser Spielerberater: Also habe ich dein Wort, Uli?
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Für was hältst du mich denn, Volker? Einen Steuerhinterzieher? (lacht)
Seriöser Spielerberater: Gut, gut, in Ordnung. Du weißt ja, ich will nur das Beste für meinen Jungen.
Seriöser Wurstfabrikant: Na klar, Volker. Ich doch auch, ich doch auch. Ciao. (legt auf)
Los Kalle, ruf die Bild an!
Experte für Arsch- und Haartransplantationen: Ich hab schon gewählt! Soo... Ja, Diekmann, altes Haus! Pass auf, wir haben da ne super Story für dich! Wir holen Götze! Zum Sommer. Für 37 Millionen. Ausstiegsklausel. Genau, Pep wollte ihn unbedingt. Und noch besser, Kai, du bekommst das EX-KLU-SIV von uns! Als Gegenleistung wäre es freilich nett, wenn ihr die Berichterstattung über den Uli in andere Bahnen lenken könntet. Bringt am besten eine ganze Reihe über seine sozialen Engagements. Ja, so in der Art. Irgendwas mit Kindern oder Behinderten, das zieht immer. Also, Servus!
Steuerhinterziehender Wurstfabrikant: Na, das lief ja wie am Schnürrchen! Ich bin ein bisschen aus der Schusslinie und diesen gelbschwarzen Emporkömmlingen haben wir den besten Spieler weggeschnappt. Damit sind die Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball endlich wieder gerade gerückt. Mensch Kalle, so gut habe ich mich seit dem Klose-Deal nicht gefühlt! Prost!

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Mittwoch, 19. Dezember 2012
Weltenende - Die Interviews // Ansichten der Bevölkerung
Ein Pinguin läuft durch eine weiße Wüste. Irritiert. Perplex. Und doch verspielt. Eine deutsche Mutter schiebt einen Einkaufskinderwagen durch die Fußgängerzone. Ein buntes Mikrophon wird ihr unter die Nase gehalten.

nR^1: (/Guten Tag!) Was würden Sie tun, wenn Sie wüssten, dass in einem Monat die Welt unterginge?
dM^2: Öhm, joah ... wahrscheinlich verreisen, nech?
[Pause]
dM: [erhellte Miene, kurz vor der Pointe] Und schön blau machen! Is' ja egal, dann.
nR: [nickt] Verstehe. [wendet sich zum Publikum] Tja, was (/mache) treibe ich überhaupt noch hier? [zwinker]
[Schnitt]

[drei Adidas-Anzüge laufen Faxen machend durchs Bild]
nR: Und ihr, was macht ihr noch, bevor die Welt untergeht?
AA#1^3: Yo, ähm ... noch mal fett saufen und das Leben abfeiern, yo!
AA#2^4: Und nochma 'ne Alde klar machen!
AA#3^5: Und einen rauchen.
AA#1: Also alles wie immer! [grinst-lacht] Hehe. Yo. [kurzer, leerer Blick in die Kamera]
[Schnitt]

nR: Und Sie?
aM^6: Komm, mach dat Ding aus, ker! [läuft demonstrativ an Kamera vorbei] So ein Scheiß will ich nicht hören! [murmelt] Menschenskinners.

Der Pinguin taumelt. Ihm ist sehr warm. Außerdem hat er seine Nase verloren. Vielleicht hat er sie auch nur falsch aufgesetzt.
[Schnitt]



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1 neugieriger Reporter
2 deutsche Mutter
3 Adidas-Anzug #1
4 Adidas-Anzug #2
5 Adidas-Anzug #3
6 alter Mann

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Donnerstag, 20. September 2012
Novemberregen
Warm – kalt – warm – kalt, nass. Pendeln. Bus raus, Bahn rein. 4 Minuten warten. Nur 4 Minuten. Nicht sinnvoll zu füllen, die Zeit. Warten. Beobachten. Denken, träumen. Kälte, wendige, die durch nasse Glieder zieht. Warten. Beobachten. Ein noch mit Blättern begabter Baum ächzt im Wind.
Menschen. Laut, leise. Normal. Wanne-Eickel Hauptbahnhof. Ruhrpott-grau folgt Ruhrpott-grün. Seminar passé, again. Lauf Hase, lauf. Such' einen Unterbau. Raus ins Freie, ungemütliche, Nass-Kalte. Weg, weg, weg, weg. Auf, auf, auf, auf.
Voll, voll. Keine Ruhe. GE Hbf, na toll. Hoffentlich bald in Essen. Schrei es heraus jetzt. Später Wut, Unmut, nah an Wallenstein. Wo bleibt der Frühling? So fern scheint er, so fern. Doch wird er kommen, blühen, gedeihen, Bessere tage, weit weg.
Allein die Temperatur, sie hülfe. Die Stimmung erst recht. So sei es. Kein Licht ohne Dunkel, kein Leben ohne Sterben. Sterben liegt nicht in der Luft, Vegetieren viel mehr. Vegetieren in 3D. Fortschritt machts möglich. Platschplatsch draußen, Ohrenghettoblastermenschen drinnen. Viel Freude bringt das Novemberpendeln.

Warm – kalt – warm – kalt, grau. Zu viel schlafen, zu viel vegetieren, zu wenig echtes Leben. Wo ist der Antrieb? Wo ist der Antrieb in diesen Tagen? Raus aus der Bahn ...
Rein. Sitzplatz im RE1, olé. Langsam ernährt sich das Eichhörnchen. Aber es lebt. Warum gibt es eigentlich keinen Winterschlaf für Menschen? Hamstern im Herbst, dann Speckschicht anfressen und monatelang nur im Bett liegen und schlafen. Was man dann wohl so träumt? Ganze zusammenhängende Geschichten, Bücher gar?
Taschendiebe unterwegs, aha. Müssen auch hamstern, um über den Winter zu kommen. Für eine Playsi unterm Baum. Bahngespräche nerven. 7 Minuten Verspätung, das wars mit der U-Bahn. Bahngespräche nerven. Dunkel draußen, nun. Auch nicht besser.

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Dienstag, 11. September 2012
Der Tyrann
Klopf, klopf. Wer da? Der Teufel bittet zum Tanz. Herein, herein. Immer herein in die gute Stube. Die Hölle ist ein steter Platz auf Erden. Alle Führer heißen sie willkommen. Garantiert sie mehr Macht? Ohja, ohja! Ja! Das tut sie, nur immerzu hinein mit der Suppe. MachtMachtMacht. Mehrmehrmehr. Mehr davon, bis wir platzen. Platzen vor lauter Gier. Gier, die uns antreibt. Gier, die uns befriedigt. Gier, die uns sabbern, geifernd kebbeln lässt. Gier, die unser Konkurrenzdenken bestimmt. Hinfort mit den Gedankenwellen der Harmonie! Hinfort! Kampf, Kampf! Kampf! Tod und Hass und Gewalt! Herbei! Herbei! Hass! Hass! Hass! HassHassHassHassHassHass! Macht durch Hass, Macht durch Gewalt! Menschen versklaven, Untertanen erschaffen, alle beherrschen, beherrschen, alle! Nieder mit ihnen in den Staub. In den Staub! Nichts zählt sonst, nichts zählt mehr! Nichts. Zählt. Mehr.
Mehr?

[Puh. Das musste raus. 'Tschuldigung.] Komisch, keiner ist mehr da. Keiner. Wo sind denn alle.. Freunde? Hallo? Ich bin so allein, so allein. Niemand ist mehr da. Niemand. Wo sind sie nur? Wo? Wo? Ach ja. Im Staub.
Hoppla. So war das nicht gemeint, Leute. Ehrlich nicht. Was? Wartet, ich nehme euch mal die Knebel ab. Die Fesseln auch – hey, wartet! Nein, tut das nicht! Stopp! Ich musste es tun! Einer musste doch herrschen! Versteht doch, es ging nicht anders. Was soll das heißen, dafür ist es jetzt zu spät? Warum? Wieso? Vor ein Gericht? Ein Kriegsgericht? Aber wir haben doch gewonnen? Gemeinsam haben wir gesiegt – oder nicht? Zu welchem Preis? Na, zu dem, der eben bezahlt werden musste.
Viele Menschen mussten sterben? Nun, wenigstens nicht umsonst. Nun geht es doch allen besser, nicht? Wir sind größer, wir sind stärker. Vor unserer Nation zittert, erschauert die ganze Welt! Was können wir noch wollen, was sonst erstreben? Wir sind mächtig!
Und auch die Fesseln habe ich euch genommen. Natürlich war das großzügig! Oder willst du sie wieder spüren, Bursche! Hast du ihre Last etwa schon vergessen? Dir bekommt wohl die frische Luft der Freiheit nicht! Unverbesserlich? Was soll das heißen? Wachen! Genug mit dieser Gesellschaftsspielerei. Entfernt den Pöbel. Genug ist genug. Ist genug.
Ich muss herrschen.

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Freitag, 17. Februar 2012
Wer hat den Wulff geschlachtet? Und warum?
Abgesehen von den wulffschen Unzulänglichkeiten finde ich es bemerkenswert, mit welcher Aggressivität die deutsche Medienlandschaft den Bundespräsidenten zur Schlachtbank getrieben hat. Darüber redet niemand. Warum eigentlich?

Die deutsche Journaille nahm den Anruf bei der Bild-Zeitung offenbar persönlich. Und diese arme, arme Bild-Zeitung, die ja in der Angelegenheit keinerlei eigene Interessen verfolgte, musste im Sinne der Pressefreiheit dringend beschützt werden. Vor diesem mächtigen, mächtigen Wulff. War er nicht eher das protegierte Ziehkind des größten und mächtigsten Verlags des Kontinents? So bemerkte es wenigstens die Süddeutsche Zeitung am 3. Januar: http://www.sueddeutsche.de/medien/wulff-und-die-springer-presse-erst-gehaetschelt-dann-fallengelassen-1.1250046

So ungeschickt Wulff agierte, so gereizt (re-)agierte die Presse. Hauptsache drauf. Immer auf Seite 1. Scheiß auf die Menschen in Syrien. Denn eines ist auch klar: Begibt sich das Gros der publizierenden Zunft auf einen Kreuzzug für die angeblich attackierten eigenen Freiheiten, bleiben notwendigerweise andere Themen auf der Strecke.

Natürlich benötigt eine funktionierende Demokratie eine funktionierende Presse- und Meinungsfreiheit. Jedoch setzt dies ein verantwortungsvolles Handeln der Journalisten voraus. Auch sie müssen den ihnen gewährten Freiheiten gerecht werden. In einer sich immer schneller drehenden Medienmaschinerie gilt häufig nur noch der erste Teil des Ehrenkodexes „Get it first, but first get it right!“, da hilft auch der Gegendarstellungsanspruch in § 11 des Landespressegesetzes kaum noch aus. Eine Nachricht reicht häufig, um ganze Existenzen zu vernichten.
Medien sind mächtig. Und sie setzen ihre Macht ganz gezielt ein, um politischen Einfluss auszuüben. Im Fall Wulff traf dies nun nicht unbedingt den Falschen. Das macht es dennoch nicht richtig.

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Dienstag, 8. November 2011
Gedanken zu Melancholia von Lars von Trier
Zurück aus Melancholia. Lars von Triers Weltuntergang ist so absolut gnadenlos, dass das Schweigen und die Stille des totalen Endes absolut wird. Kein Happy End, kein Held, der in letzter Sekunde das Ruder herum reißt, nicht einmal ein Paradies, nicht einmal eine Hölle. Einfach nur nichts. Der Slogan, der für die Werbung reichen muss, reicht auch, um mit allem abzuschließen und die Vergänglichkeit allen Seins darzustellen. Vanitas. Es kommt noch schlimmer. „Every single creature dies alone“, wusste schon Donnie Darko. Für das kollektive Sterben in Melancholia gilt diese Erkenntnis auch, ist aber aufgrund des parallelen Abnippelns von Milliarden von Lebewesen umso härter.

Lars von Trier haut mit seiner konsequenten Apokalypse ohne Himmel all jenen in die Fresse, die die Geschichte der Menschen und insbesondere die ihrige derart wichtig nehmen, dass sie nicht nur ihre eigene Vergänglichkeit ignorieren, sondern auch den Fakt, dass sie nur der Hauch eines Sandkorns am unendlichen Strand der Zeit sind. Ein Furz im Universum. (Was vielleicht das einzige ist, was wirklich unendlich wächst. Wo wir gerade bei Fehlern und neuen Erkenntnissen der Menschheit sind.) Jeder einzelne Mensch ist also ein absolutes Nichts. Egal, was er erreicht, wie viel verdient, zusammen gerafft und was er vielleicht wirklich bewegt hat. Am Ende schluckt er aus Feigheit eine Überdosis Pillen und verreckt an seiner eigenen Kotze im Pferdestall. Er ist so von seiner kleinen Welt der menschlichen Errungenschaften überzeugt, dass er keine Zweifel zulässt. Alternativlos ist sein Leben und so muss es enden.

Lars von Trier hält den Spiegel vor und zertrümmert mit diesem das Selbstverständnis und das Ego der modernen Menschenwelt. Wer mit Melancholia gestorben ist, dem bleibt nur eine große Popcorntüte Demut. Und eine kleine, ruhende Hoffnung. Und diese flüstert: Wir leben nur für uns selbst. Was zählt, ist das Glück des Augenblicks. Unsere Zivilisation ist nur ein Wimpernschlag alt, vielleicht bleibt es dabei. Bis es soweit ist, müssen nur eines tun: leben.

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Donnerstag, 27. Oktober 2011
Eine Überdosis Glück im Augenblick
Mikroboy in Düsseldorf, Stahlwerk, 26.10.2011

Gefühlt belegen stets die besten, die wertvollsten Musiker bei kommerziellen Veranstaltungen und vergleichenden Rankings die letzten Plätze. Wenn es für diesen gefühlten Fakt („Fühl-Fakt“, d. Gedankensturm-Wortschöpfungs-Lexikon) eines weiteren, aktuellen Beweises bedurft hätte, so könnten Indie-Pop-Liebhaber der Gegenwart von der Band Mikroboy erzählen. Diese Herrschaften um Sänger Michael Ludes vereinen eingängige und doch nachdenkliche Hymnen mit einer einmaligen Portion melancholischer Hoffnung, die durch einen seichten Schuss Elektronik bis auf die Spitze getrieben wird.
Wer all diese Eigenschaften zusammen zählt und für ein, zwei Minuten der aktuellen Single „Es hat sich einiges getan“ http://www.youtube.com/watch?v=u2AMrAJYTOs lauscht und dann noch von Teilnahmen am Bundesvision Song Contest hört, wird diese Gleichung wahrscheinlich mit „Das nächste große Ding“ lösen. Zum Glück der Jetzt-schon-Fans und zum Pech der Geldbörsen der Mikrojungs funktioniert der Musikmarkt dann doch nicht so einfach und daher belegte die Band vor ziemlich genau einem Jahr für das Saarland den vorletzten Platz. Das neue, das zweite Album „Eine Frage der Zeit“ stieg auf Platz 96 in die Charts ein.
All dies führt dazu, dass sich an einem Mittwochabend Ende Oktober ca. 50 Leute in das Düsseldorfer Stahlwerk verirren und ein wahrlich wundervolles Konzert erleben. Ein junger Mann aus Hamburg, der beteuert, sonst nicht alleine auf der Bühne zu stehen, eröffnet singer-songwriter-mäßig sehr stimmungsvoll den Abend. Das Publikum, eine Mischung aus kleinen bis mittelgroßen Mädchen und alternativen Konzertgängern ist locker warm gespielt. Dann kommen die extrem gut gelaunten Mikroboy an die Instrumente und verströmen vom ersten Augenblick an eine dynamische Mischung aus Euphorie und Melancholie, dass es selbst noch nicht warm gespielten Zuhörern auf der Stelle warm ums Herz wird. „Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten“ - den Titel ihrer allerersten Single scheint die fröhliche Kapelle sich als Konzert-, wenn nicht als Lebens-Motto angeeignet zu haben. In einer maximal zu 1/3 Drittel gefüllten Halle kann natürlich keine Sauna-Atmosphäre aufkommen, dennoch wippt und tanzt das vom Glück bestäubte Publikum eifrig im Takt mit dem Zauber des Blütenstaubs, der langsam aber stetig von der Bühne rieselt. Grund genug für Frontmann Michi Ludes, die Textsicherheit des lauschenden Volkes zu testen. Und so erklingt bald darauf der wunderbare Refrain von „Nichts ist umsonst“ aus nicht wenigen Kehlen:

„Denn nur wer weiß, wohin er will und was er kann
kann auch schaffen, was die Welt von ihm verlangt“

Spätestens ab diesem gelungenen Interaktionstest ist der Funke endgültig übergesprungen. Mikroboy spielen 15 Songs ohne Pause, aber mit viel Rhythmus und Herz durch den Abend. Trinken kurz ein Bierchen während die Jetzt-Fans begeistert nach einer Zugabe verlangen. Diese fällt ganze 6 Kulturgüter stark aus und gipfelt in der Lebensreflektionshymne „Vom Leben und Verstehen“. Besser als mit den hierin enthalten Worten kann man sowieso überhaupt gar nichts beschreiben, darum hält der Verfasser dieser Zeilen jetzt einfach mal die Fresse und verneigt sich in stiller Ehrfurcht vor dem, der folgendes zu Papier brachte:

"Eine Mischung aus Erinnerung und Traum,
doch wenn ich ehrlich bin erinnere ich mich kaum.
Was zu dem Schluss führt, dass die Phantasie gewinnt,
eine Überdosis Glück im Augenblick
und wenn es nötig ist bleibt nichts davon zurück"

Danke, Mikroboy. Düsseldorf mag euch. Kommt wieder, bitte.

Setlist:

1. Immer auf der Suche
2. Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten
3. Ein einzelnes Atom
4. Es hat sich einiges getan
5. Du. Nicht wir.
6. Nichts ist umsonst
7. Solang' der Mut den Zweifel schlägt
8. Herzen aus Holz
9. Alle Menschen verlieren Sachen
10. Du oder ich oder wir alle
11. Apollo
12. Rückschritt gleich Fortschritt
13. Angekommen
14. Pre Oder Post
15. Atmen und Aushalten
16. Bis zum Ende
17. Wann bleibst du endlich
18. Nach dem Höhepunkt links ab
19. Irgendwie unangenehm
20. Lass mich irgendwas sein
21. Vom Leben und Verstehen

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Dienstag, 16. August 2011
vom träumen und leben
Ich möcht' meinen Träumen erliegen
mit ihnen fliegen
hoch – viel zu hoch
und höher – immer noch höher

möchte fallen
mich wandeln
und lernen

und wieder fliegen
in meinen Träumen
durch meine Träume
hoch – so hoch
und noch weiter

und dann sterben.

Gehen, einfach nur gehen
den ausgeträumten Traum vollenden
enden muss schließlich alles
die Sonne, das Universum
und der ganze Rest
und auch du. Und du. Du, du
du erstmal nicht
aber vor allem auch ich.

Aber hey:
keine Panik
auch die Titanic
sank zwar in einer Nacht
gewisse Dinge
bleiben aber für immer vollbracht.

Macht. Macht doch auch nichts
so ist es nun einmal
das Leben ist ein Spiel
Gibt es ein Ziel?

Zielt da jemand auf mich?
Mit einem Bogen, einem Bogen voll Glück?
Oder eher Pech?

Ein tiefschwarzer, verkrusteter Pfeil
des Todes, in Schwefel gehüllt
oder doch mit Glücksbärchen gefüllt?

Entscheidet jemand für uns?
Sind wir Puppen in einem einzigen großen Spiel?

Doch -
Wo sind meine Fäden?
Ich sehe meine Fäden nicht.
Darum glaube ich, glaube tief und fest
es gibt kein jüngstes Gericht.

Du, du, du und auch du
ja, vor allem du
du hast dein Leben in deiner Hand
alles liegt in deiner Hand
- ganz alleine -
in deiner Hand

Geh! Geh weg und zieh Leine!
Finde dich selbst
und liebe dein Leben
hilf dir selbst
und lerne zu schweben

in den letzten Garten Eden
ernte die Reben
keine kann's dir nehmen
zu leben
und auch wieder zu geben

zuürck.
Zurück zu den Wurzeln
zurück zu den Träumen
zurück ins Leben

zurück zu … dir
und auch zu dir, dir, dir
aber vor allem auch zu … mir.

Was bist du Wert, Mensch?
Wo ist dein Leben?
Hast du gegeben?
Oder nur genommen, immer nur genommen?
Unbenommen hast du es hinbekommen.

Nimmersatt. Du bist ein Nimmersatt.

Essen, immer nur essen.
fressen
verschlingen, ganze Welten
Pflanzen und auch die Tiere
Menschen verschwinden
Du hast sie gefressen!

Deine Art geknechtet
mit deiner Art zu leben
ohne zu geben

Schluss damit!

Es ist deines Lebens Ziel,
dass du es auch liebst

so beginne bei dir
in deinem Leben
in deinen Träumen

Versäume es nicht
Trink auf dein Glück
geboren geworden zu sein
hier zu sein
genau hier
in diesem Moment, in diesem Augenblick
diesem Herzschlag, diesem Wimpernzucken
zucken brauchst du nicht
schon gar nicht zurück
hör' auf dein Herz
und finde dein Glück

aber nur …
wenn du es auch willst

falls nicht …
verrotte, verrecke, sterbe, lass los
los vom Leben, los von den Menschen
vom Menschsein

und bekenne dich
bekenne dich
zu dem, was du bist

Dieser Spiegel … er verzerrt
und vermehrt
vermehrt die Verzweiflung, die Sicherheit
sie gibt es nicht.


Ein Prophet bricht sich sein Genick.
Wo ist der Strick?
Ein bisschen verrückt
Zeilen, Verse vom Leben geschrieben, geschrien
mit geflogen – in den Träumen geboren
Es war alles nur gelogen.

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Sonntag, 5. Juni 2011
Echte Hardcore-Passion – H2O im Stone im Ratinger Hof
Echten New York Hardcore der allerfeinsten Sorte gab es gestern im Stone im Ratinger Hof zu bestaunen. H2O, die Band um den ehemaligen Sick Of It All Roadie Toby Morse, waren am Start und lieferten eine fulminante, kurzweilige Show ab.

Die mehr oder weniger lokalen Nachwuchs-Kapellen Look My Way und Get It Done! durften sich die Ehre teilen, dieses Fest zu eröffnen. Durchaus warm, aber nicht so richtig heiß wurde das Publikum von beiden gespielt, was vielleicht auch dem nicht sehr sauberen Sound geschuldet war.
Als H2O dann mit perfekter Technik die Bühne enterten, fiel der Unterschied zu den Tönen zuvor noch stärker auf, aber das interessierte zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr. H2O gaben alles und die Damen (ohja!) und Herren direkt vor der Bühne gaben noch mehr. Im Pit wurden spätestens mit „Nothing To Prove“ keine Gefangenen mehr gemacht. Die Menschen auf den kleinen Balustraden links und rechts wollten offensichtlich daran teilhaben und so regnete es Stagediver im Sekundentakt. Soviel gelebte Passion kam auch bei den Hauptdarstellern an, so kürte Toby Morse Düsseldorf schon nach wenigen Songs zum besten Deutschland-Konzert der Saison.
Viel mehr Stücke folgten allerdings leider, leider nicht mehr, so dass mit der Image- und Szene-Gehabe-hinterfragenden Hymne „What Happened?“ Feierabend war. Eine Zugabe gab es nicht. Vielleicht wollten die Jungs, dass starke Zeilen wie „What happened to the passion? Passion! What happened to the reason for screaming? What happened the music and the message that I love?“ den geneigten Konzertgänger mit nach Hause begleiten und den gewünschten Effekt im Denkapparat verrichten. Man weiß es nicht. Trotzdem, die Show an sich war überragend, ehrlich und von Herzen kommend, wie man es von einer authentischen Band wie H2O gewohnt ist. „Passion before Fashion“ eben.

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Unter Freunden – Mono & Nikitaman im zakk
Die Reggae / Dancehall Kombo Mono & Nikitaman kehrte mit Band und aktuellem Album „Unter Freunden“ im Gepäck in's zakk ein. Dank steigender Popularität wurde im Gegensatz zum letzten Gastspiel nun die größere Halle bespielt.

So strömte dann auch ein buntes, teilweise junges Volk - mit dem ein oder anderen Klischee-Reggaeisten garniert - gut gelaunt und in wohliger Vorfreude durch die Tore. Die Vorband griff die glücklich-entspannte Stimmung auf und vermochte erste Euphorie und Mitklatsch-Orgien zu entfachen. Dies steigerte sich, als nacheinander Band, Mono und schließlich Nikitaman die Szenerie betraten und das taten, was sie am besten können. Im Programm hatten sie selbstverständlich ihren vierten, erstmals auch in den deutschen Charts vertretenen Langspieler, der beim Publikum durchaus ähnlich gut ankam wie die altbekannten Klassiker. Diese wurden insbesondere in Form von „Für immer“ oder „Gras ist legal“ aber besonders abgefeiert und vor allem mitgesungen.Der Text des letzteren Liedguts lieferte manchem Fan ein Stichwort, so dass das bestehende Rauchverbot im zakk eher als Nikotin-Verbot interpretiert wurde. Noch mehr allgemeinen Zuspruch erntete Nikitaman mit seinen Aufruf zu mehr Frieden und Liebe in der Welt. Auch seine Verbundenheit zu Düsseldorf wurde beklatscht, so ist der gute ja bekanntermaßen in einem nahegelegenen besetzten Haus in der Kiefernstraße aufgewachsen. Auch aus dieser Tradition betrachtet schien der ein oder andere Langzeitfan sich nach der exzessiveren Enge der kleineren Halle zu sehnen. Man munkelt, dort sei die Crowd noch ein wenig steiler gegangen und habe ausgiebiger das Tanzbein geschwungen. Flächendeckende Unzufriedenheit ließ sich an diesem Abend jedoch beim besten Willen nicht ausmachen. Der Großteil der Reggae-Lauscher fühlte sich sichtbar „unter Freunden“ und entschwand mit einem seligen Ausdruck des Glücks in die Nacht.

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Absolute Ekstase – Egotronic im Stone im Ratinger Hof
Am Ostersonntag regierte das Lustprinzip im Stone im Ratinger Hof. Die Electropunker von Electronic gaben sich die Ehre, im überraschenderweise nicht ausverkauften Haus groß aufzuspielen.

Der Düsseldorfer Auftritt bildete den Abschluss der zehntägigen „Gegengerade“-Tour. „Gegengerade“? Ist das nicht dieser Fußballfilm? Richtig, dieser Film um und über den FC St. Pauli, für dessen musikalische Untermalung eben just die Kapelle Egotronic engagiert worden ist. Den Filmemachern und Musikern ging diese kulturelle Symbiose allerdings noch nicht weit genug. „Fuck the law! Was ist Kino und was ist ein Konzert?“ sagten sie sich. Und so gab es erst im Lichtspielhaus Bambi den Film und im Anschluss im Musikspielhaus Stone den dazugehörigen Sound zu bestaunen. Zu vergünstigten Konditionen bei Erwerb des Kombi-Pakets, versteht sich. Dort drin enthalten war auch die formidable Vorband Disco Crunch, die gut gelaunt und Energie geladen die anfangs noch spärliche, aber bunt gemischte Meute auf Betriebstemperatur brachte.
Gegen Ende des Sets beteiligte sich auch Egotronic-Mastermind Torsun an den Aufwärmübungen und zeigte zum ersten Mal, dass die Stimmung der Bands der der sommerlich gewärmten Konzertgänger in nichts nachstand. Als dann die Hauptdarsteller die Bühne betraten, war ob der ausufernden Publikums-Partizipation schnell klar, dass es ein richtig heißer Abend werden würde. Jeder Song wurde begeistert beklatscht, besungen und vor allem betanzt. Auch Torsuns gewohnt klaren Worte zu anstehenden Nazi-Demos u. a. am 1. Mai in Kaiserslautern trafen den Nerv der Zuhörer und förderten bekannte Antifa-Rufe zu Tage.
„Raven gegen Deutschland“ hieß das Programm, aber mit Stil und vor allem viel Lust. Die Menge verwandelte sich rasend schnell in einen schwitzenden, hüpfenden, aber allem Anschein nach ausgesprochen glücklichen Haufen. Die Band ging ebenso steil und nutzte gekonnt dieses interaktive Potential. Bei „Was solls“ durfte ein Junge namens Sebastian den Rüde-Part singen, was ihm erstaunlich gut gelang. Für die Zugabe bat Torsun die ganze Crew auf die Bühne. Zu dieser gehört übrigens auch der „Gegengerade“-Regisseur Tarek Ehlail, der diese wundervollen Augenblicke mit seiner Kamera festhielt. Entstehen wird daraus eine Tour-DVD, welche in Bälde als Bonus-Version mit dem soeben erschienenen „Gegengerade“-Soundtrack veröffentlicht wird. Da hat auch das Label mitgedacht. Denn diese Bilder waren wahrlich für die Ewigkeit bestimmt. Wie der halbe „Innenraum“ bei "Von nichts gewuszt" die Bühne stürmte und abfeierte und wie Egotronic mit Worten wie „Wir spielen einfach noch eins, wird schon keiner was dagegen haben.“ noch eine und noch eine Zugabe in die ekstatische Menge pfefferten, das war schon ganz, ganz großes Tennis. Mit „Die Partei“ hörte dann der Spaß auf, der Siedepunkt war erreicht. Wer sein T-Shirt durchgeschwitzt hatte, konnte für faire 12 € ein neues, schöneres erwerben. Und sich auf die Tour-DVD freuen. Oder auf das neue Album. Oder über 10 Jahre Egotronic und darüber, dass die Jungs nach so einer elektrisierenden Ekstase-Show bestimmt gerne wieder kommen. Und dann wird die Hütte auch richtig voll.

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Ready to almost die? - Disco Ensemble im Stone
„Yeah so Düsseldorf is sold out tonight. READY TO ALMOST DIE?“ fragten Disco Ensemble frech-vollmundig via Twitter kurz vor ihrer Show im altehrwürdigen Stone und versprachen damit eine ganze Menge, aber nicht zu viel. Für furiose Live-Action sind die sympathischen Finnen schließlich ebenso bekannt wie für ihr qualitativ hochwertiges Liedgut, welches trotz enormer Genre-Vielfalt einen hohen Wiedererkennungswert besitzt und – die große Schublade muss reichen – einfach nur rockt.

Diese Ansicht vertraten offensichtlich auch die gut gelaunten Menschen, die sich zwecks maximaler Nähe zur Bühne dermaßen dicht in den kleinen Club drängelten, dass sie beinahe gestapelt werden mussten. Als dann nach etwas längerer Wartezeit das Licht aus und der Jubel an ging und bald darauf die vier Finnen ihre Mischung aus Post-Hardcore, Indie und Punk auf dass Parkett zimmerten, löste sich zumindest das Platzproblem unmittelbar vor der Bühne in Wohlgefallen auf. Mit dieser Energie geladene Circle Pits schaffen sich einfach ihren Raum. Die in bläulichem Neon gut beleuchtete Band wies ob des ekstatischen Treibens wenige Meter vor ihnen prompt darauf hin, gut aufeinander aufzupassen. Schließlich sind sie – der Twitter-Rhetorik zum Trotz – kaum scharf darauf, dass ihre Fans das Zeitliche segnen. So viele haben sie ja noch immer nicht, wie man nach jedem gutem Langspieler und jedem grandiosen Konzert immer wieder etwas verwundert feststellen muss. Auch an diesem Abend machte das Publikum einen nicht nur äußerst verschwitzten, sondern auch äußerst glücklichen Eindruck. Allenfalls die etwas kurze Spielzeit, die bei der ein oder anderen Pause eine Stunde nicht weit überschritt, ließ ein wenig Raum für Kritik. Der Sound kam klar und druckvoll und dem sichtlich gut gelaunten Ensemble waren spieltechnische Fauxpas auch eher fremd. Und spätestens mit „First Aid Kit“-Krachern wie „Black Euro“ benötigte auch der Begriff „Disco“ im Namen keine weitere Erläuterung. Gegen viertel vor elf entließ die Band dann ihr „fantastic audience“ in die Nacht, das Freitag Abend Programm des Stone wartete. Das Ensemble ging, die Disco blieb. Und niemand musste sterben. Und wenn, dann nur beinahe. Vor Glück.

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Auf der Erfolgsspur – Jupiter Jones im Zakk
2011 haben Jupiter Jones als das Jahr ausgeschrieben, in dem alle Menschen mitbekommen sollen, was für eine grandiose Mischung aus authentischem Punkrock und einfühlsamen Balladen die Jungs aus der Eifel auf Platte und Parkett zaubern können. Da traf es sich gut, dass im Gegensatz zum letzten Gastspiel vor ca. 1,5 Jahren die maximal mögliche Anzahl an Menschen in das Düsseldorfer Zakk gekommen war.

Die Weichen zur Verbreitung der Kunde über die Qualität besagter Kapelle wurden bereits im letzten Jahr mit einem Sprung vom hauseigenen zu einem Major-Label gestellt. Auch dank der professionelleren Begleitung konnten Jupiter Jones sich so zum ersten Mal über eine spitzenmäßige Chart-Position freuen. Derlei Vorgänge lassen in so manchem alteingesessenem Fan natürlich die Furcht vor Ausverkauf und Authentizitätsverlust reifen. Auf der Bühne, die von Dakoton formidabel warm gespielt worden war, wurden solche Zweifel aber in Intro-Kürze weggefegt. An der Qualität, der Ehrlichkeit, der gigantischen Portion Gefühl, die in von Jupiter Jones handgemachten Liedern steckt und vor allem am fröhlich-bedächtigem Vortrag dieser vermag schließlich auch keine steil ansteigende Radio-Rotation etwas zu ändern. Diese Band lebt Musik, wie eine Band nur Musik leben kann und dabei nimmt sie alte wie neue Fans mit. Die neuen Fans müssen sich erst noch ein wenig gewöhnen, dass bei punkigen Nummern der Ellenbogentanz ausgerufen wird, aber auch dieser fügt sich in die anfangs noch zurückhaltende Menge ebenso passend ein wie der nachhaltig großartig wirkende „Badabada“-Chor zu „Land in Sicht“.
Die Band setzt voll auf ihr aktuellstes Material und durchtränkt die Setlist mit ihrem vierten Langspieler „Jupiter Jones“. Darüber, dass dieses Unterfangen nicht ganz ohne Risiko behaftet ist, geht Sänger Nicholas selbstironisch-lässig hinweg. „Wir spielen jetzt mal was vom neuen Album … Oh, da hört der Applaus auf.“ Über solche Sprüche lachen und noch damit punkten kann nur, wer sich des eigenen Könnens ebenso sicher ist wie der Woge des Erfolgs, auf der er schwimmt.
Und dann kommt dieser Moment, in dem das ganze Zakk so leidenschaftlich nacheinander „Wir sind ja schließlich nicht Metallica“ und „Still“ singt, dass Worte kaum ausreichen, um ihn zu beschreiben. Der alte „Jupp“ folgt als Zugabe auf den neuen und bei der Extra-Zugabe „Du und Jörg Haider“ dürfen noch einmal die Ellenbogen ausgepackt werden. Laut und leise, leise und laut, die Mischung hat seit jeher gestimmt bei Jupiter Jones.
Man weiß nicht, in was für Hallen und Sphären die Herrschaften noch vorstoßen. Der Erfolg trifft eine Band, die bodenständig, sympathisch auftritt, sich nach dem Akt noch Zeit für die Fans nimmt, unbestritten wundervolles Liedgut erschafft und dieses fast noch besser live präsentiert – und damit auf jeden Fall die Richtigen.

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Tanzen, Hüpfen, Nachdenken – Rise Against im Palladium
Eine seit Wochen ausverkaufte Tournee in deutschen Landen und ein Album auf Platz 1 der hiesigen Charts, damit können sich die Jungs von Rise Against wohl das Prädikat Punkrock-Band der Stunde an die mit Idealen und inbrünstiger Spielfreude gefüllte, schwellende Brust heften. Auch in das picke-packe-volle Palladium zu Köln war eine hungrige, bunt gemischte Meute getigert, um sich von den viel gerühmten Live-Qualitäten der Herren aus Chicago zu überzeugen.

Das Warmspielen des Publikums durften Coliseum übernehmen. Die Meute dankte es mit steigender Körpertemperatur und überdurchschnittlichem Vorband-Applaus. Den gelungenen Auftritt rundete ein gewisser Zach Blair als Gast-Gitarrist ab. In der anschließenden Umbaupause mussten die hinteren 2/3 der Halle die etwas enttäuschende und bisweilen schmerzliche Feststellung machen, dass die Veranstalter sie offensichtlich nicht mit dem vorderem Drittel spielen lassen wollten, da ein nicht umgehbarer Wellenbrecher das Palladium durchzog. Vielleicht erinnerte man sich daran, dass beim letzten Gastspiel in der Gegend der einzige Brecher der Düsseldorfer Philipshalle von der wogenden Masse so arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass er eine halbstündige Pause verursachte.
Egal. Bei den ersten Klängen von „Chamber The Cartridge“ und den obligatorischen „Rise!“-Rufen war alles vergessen. Schwer zu sagen, warum manche Bands ihr Set einfach nur herunter spielen und manche – wie Rise Against – diese unglaubliche Energie entwickeln und damit das Publikum wieder und wieder durch die Hallen dieser Hemisphäre pusten. Das mehr als rockbare, live-taugliche Liedgut mag eine Erklärung liefern, die von der Band verkörperte Mischung aus Professionalität, authentischer Spielfreude und der Überzeugung, das Richtige zu tun, ebenfalls.
Aufgetischt wird das Ganze in einer ausgewogenen Setlist, in der sich die beiden Single-Auskopplungen „Help Is On The Way“ und „Architects“ als Vertreter der aktuellen Kunst neben den einmal mehr zündenden Klassikern harmonisch einfügen. So gibt es spätestens bei „Prayer Of The Refugee“ kein Halten mehr – wen es jetzt nicht in einen der vielen Circle Pits reißt, der wird diesen wohl auch bei künftigen Konzerten aus dem Wege gehen. Aber auch politisches Engagement darf bei Rise Against nicht fehlen. So spielt eine im Hurrikane Katrina gefangene Familie die Hauptrolle in ihrem jüngsten Video zu „Help Is On The Way“. Und bei Konzerten der überzeugten Vegetarier ist nicht nur Platz für (teures) Merchandise sondern auch für Peta2. Der lautstarke Applaus zu der Anteil nehmenden Ansage zur Situation in Japan lässt ahnen, dass das Publikum der Band auch auf diesen Wegen folgt – oder es zumindest ab und an in Erwägung zieht.
Die Zugabe beginnt mit der geballten Akustik-Emotionalität aus „Swing Life Away“ und „Hero Of War“, die andächtigen Balladen, die es dem geneigtem Besucher gestatten, die Begleitung des Herzens in den Arm zu nehmen, um es mit den Worten des Schöpfers und Kapellmeisters, Tim McIlrath, zu sagen. Wer zum Schluss noch in der Lage ist, gegen andere Menschen zu springen, der vollführt dies bezeichnenderweise bei „Give It All“ und final bei „Ready To Fall“. Die schwitzende Band bedankt sich glücklich bei der schwitzenden Meute, die ihr ausverkaufte Hallen und Spitzenpositionen in kommerziellen Ranglisten („Our first number one!“) beschert. Die schwitzende Meute bedankt sich für eine wundervolle Darbietung wundervoller Musik, einer Gelegenheit zum Tanzen, Hüpfen und sogar zum Nachdenken. Da bleibt beiden Parteien wohl nur folgender Gedanke im Kopf hängen: „Und wann sehen wir uns wieder?“

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